Kommentar
: Auf Erfolgskurs

■ Frankreich: Die Front National fordert das politische System heraus

„Lieber Hitler als die Volksfront“ lautete 1936 ein Schlachtruf der französischen Konservativen gegen die Regierung von Leon Blum. Was vier Jahre später daraus wurde, als Marschall Petain sein Kollaborationsregime in Vichy installierte, ist bekannt.

Gut 60 Jahre danach und unter völlig veränderten internationalen Vorzeichen hat dieselbe Logik in den vergangenen Tagen dazu geführt, daß zahlreiche konservative Politiker den Sirenenstimmen der Front National folgten, um damit ihre Posten und Pfründen in den Regionen zu retten. Den neuerlichen Weg in dieses Extrem hat einerseits die jahrelange Gewöhnung an die Wahltaktiererei mit der Front National geebnet, von der sowohl Konservative als auch Sozialisten profitierten. Andererseits sorgte die Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus für den Abbau von Skrupeln.

Nachdem der Staatspräsident die Front National endlich als „rassistisch und fremdenfeindlich“ qualifiziert hat, müssen nun die konservativen Parteien Auswege aus dem Dilemma suchen. Ein simples Verbot der Front National scheint heute schwieriger denn je. Wie kann man eine Partei, die selbst französische Spitzenpolitiker für allianzfähig halten und die von weit über drei Millionen Franzosen gewählt wird, verbieten? Was werden deren Anhänger tun? In den Untergrund gehen? Zum Ersticken durch Umarmen wiederum scheint keine der beiden konservativen Parteien fähig. Im Gegensatz zur Front National befinden sich beide auf dem absteigenden Ast, hat keine von ihnen ein klares ideologisches Profil. Und beiden fehlt die Basis.

Bleiben das politische und das wirtschaftliche Feld. Alle großen französischen Parteien – die Linken eingeschlossen – haben in den letzten Monaten den Kampf gegen die Front National aufgegeben. Statt gegen die Front National kämpften linke und rechte Demokraten ausschließlich gegeneinander. Neben der Rückkehr zu klaren politischen und wirtschaftlichen Profilen sind die französischen Politiker jetzt gezwungen, überzeugende Antworten auf die soziale Misere zu finden. Solange die Arbeitslosigkeit aber hoch bleibt und damit das soziale Elend und jede wirtschaftspolitische Entscheidung neue Arbeitslosenschübe auslöst, bleibt die Front National für viele Franzosen attraktiv. Dorothea Hahn

Bericht und Interview Seite 2