Fischer-Menz' Friends

Ab Mittwoch sitzt die Ex-Senatorin im Parlament. Wieso hat die SPD kein Unrechtsbewußtsein?  ■ Von Silke Mertins

Der Sozialdemokratin Helgrit Fischer-Menzel ist viel Unrecht widerfahren. Zu dem bitteren, aber vertrauten Gefühl, falsch verstanden zu werden, gesellte sich die Überzeugung, Opfer der Medien zu sein. Sie, Helgrit Fischer-Menzel, eine Frau und dazu noch Parteifreundin des Ersten Bürgermeisters Ortwin Runde, wurde auf dem Altar der politischen Moral dargebracht. Das Unfaßbare geschah: Sie mußte zurücktreten.

Dabei kann die Ex-Senatorin, so angestrengt sie auch nachdenkt, keinen Fehler bei sich entdecken. Sie hatte mit ihrem handschriftlichen Vermerk nur dafür sorgen wollen, daß der Auftrag für eine Einrichtung, die sich um nasse Alkoholiker kümmert, innerhalb Hamburgs vergeben wurde. Und rein zufällig kam dabei nur die von ihrem Ehemann geführte Alida-Schmidt-Stiftung in Frage.

Konsequenterweise sieht die 49jährige Soziologin auch keinen Grund, sich aus dem politischen Leben zu verabschieden. Ab kommender Woche also sitzt sie in der Bürgerschaft – als Abgeordnete. Während ihrer Amtszeit als Senatorin ruhte ihr Mandat.

Mit ihrer Überzeugung steht sie nicht allein. Die Abwesenheit von Unrechtsbewußtsein ist ein kollektives Phänomen bei der Hamburger SPD. Die führenden Mitglieder der SPD-Fraktion finden zwar, Fischer-Menzel hätte keinen Vermerk anfertigen dürfen. Aus diesem Grund ließ Runde sie auch fallen. Doch in der Sache hat man ihr nichts vorzuwerfen.

Auf vier Seiten Rücktrittserklärung erläuterte Fischer-Menzel bekümmert und erschüttert, daß zwar manches nicht gut gelaufen sei, aber jeweils andere ihr die Misere eingebrockt hätten: Die zuständige Sachbearbeiterin führte keinen Dialog mit dem Guttempler Hilfswerk, das zunächst eine Zusage und dann – nach Intervention Fischer-Menzels – eine Absage von der Behörde bekam. Der Staatsrat Peter Lippert traf letztlich die Entscheidung. Und ihre politische Vorgabe, vorrangig Hamburger Arbeitsplätze zu erhalten, sei „so nicht umgesetzt worden“. Kurz gesagt: Sie übernehme die „politische Verantwortung“, sei aber ohne Schuld.

Hamburger Einrichtungen retten zu wollen, ist an sich ein gutes Argument. Doch erstens: Auch die Guttempler sind ein in Hamburg eingetragener Verein. Man hätte auch Mitarbeiter aus Hamburg für die Vorsorgeeinrichtung einstellen können. Darüber sei aber nicht verhandelt worden, berichtet der Guttempler-Vorsitzende Helmut Lehmann. Und zweitens: Wie wurde denn in anderen Fällen im mit der Sicherung Hamburger Arbeitsplätze umgegangen?

Da wäre zum Beispiel die kleine Firma „Hausgeräte-Spezi“, die über ein Jahrzehnt lang für die Sozialämter der Hansestadt SozialhilfeempfängerInnen mit Elektrogeräten belieferte sowie deren Anschluß und Wartung übernahm – schnell, zuverlässig, preisgünstig und sehr flexibel im Umgang mit einer teilweise schwierigen Klientel, wie die beiden „Spezis“Günther Schnabel und Walter Dietrich beteuern. 1996 schrieb die BAGS den Auftrag erstmals aus. Den Zuschlag erhielt ein großes Unternehmen aus NRW. „Wieso wurden wir von der Ausschreibung nicht informiert?“fragt Schnabel. Von einem Tag auf den anderen seien die Aufträge weggefallen. „Bei uns hat das schon Arbeitsplätze gekostet.“

Ex-Bürgermeister Henning Voscherau versprach den „Spezis“auf einer Wahlkampfveranstaltung, die Sache „prüfen zu lassen“. Derweil trat Voscherau zurück und wurde der Vertrag mit der NRW-Firma trotz Probleme bei der Lieferung verlängert. Nun wandten sich die „Spezis“an den neuen Bürgermeister, Fischer-Menz' Friend Ortwin Runde. Der schrieb zurück, die Angelegenheit würde „intensiv geprüft“.

Intensiv geprüft wird darüber hinaus zur Zeit auch beim Rechnungshof. Nicht weil Helgrit Fischer-Menzel bei ihrem Rücktritt darum gebeten hat, sondern weil die Unterlagen zu der „Ehegatten-Affäre“dem Rechnungshof zugeschickt wurden. „Die Senatorin kann uns gar nicht dazu auffordern“, so Sprecher Günter Lempius, „das entscheidet allein das Kollegium.“