Sam soll leben

■ UKE stellt ersten Narkosesimulator vor. Rote Lichter warnen vor Herzinfarkt

Wenn Sam während der Narkose einen drohenden Herzinfarkt simuliert, gehen sämtliche roten Lichter an. Die lebensgroße Puppe mit den Gesichtszügen von Barbies Boy-friend Ken gehört zum neuen Anästhesie-Simulator, der gestern in der Universitätsklinik Eppendorf (UKE) vorgestellt wurde. Mit dem 200.000 Dollar teuren Gerät wird im Operationssaal der Ernstfall geprobt: gefährliche Narkosezwischenfälle wie ein lebensbedrohlicher Abfall der Herzfrequenz oder ein zu hoher Blutverlust.

ÄrztInnen und Pflegekräfte in grüner OP-Kluft springen um Sam herum, der mit Tüchern für die bevorstehende Operation abgedeckt wurde. ChirurgInnen bitten um ein Skalpell, sobald die Narkose eingeleitet ist. Zum Beweis, daß er seine Sache als künstlicher Patient gut macht, schließt Sam die Augen. Sein Brustkorb hebt und senkt sich.

Vom Nebenraum aus spielt ein erfahrener Anästhesist per Computer ein Notfallszenario ein. Sams High-Tech-Innenleben beginnt zu arbeiten. Die Kontrollmonitore schlagen Alarm, weil die Sauerstoffsättigung in Sams Kunstblut unter einen kritischen Wert gesunken ist. Der Narkosearzt, der gerade am Simulator geschult wird, muß sich schleunigst etwas einfallen lassen.

„Im Notfall schnell und umsichtig zu handeln“, darauf will Professor Jochen Schulte am Esch seine Mannschaft eichen. „Das geht am besten, wenn man auf ein Déjà-vu zurückgreifen kann“, so der Chef der Klinik für Anästhesiologie am UKE. Die der Pilotenausbildung entliehene realitätsnahe Schulung ist mehr als ein technisches Spielzeug. Weil schwere Zwischenfälle im Narkosebetrieb äußerst selten sind, konnten derart unvorhergesehene Begleiterscheinungen bislang nur theoretisch geübt werden. Mit dem Simulationsgerät lassen sich rund 30 verschiedene Komplikationen durchspielen, mit denen der Anästhesist im OP äußerst selten konfrontiert wird, gleichwohl er auf sie vorbereitet sein muß.

Übersteht Sam die Narkose ohne nennenswerte Blessuren, öffnet er am Ende der Trainingseinheit erfreut die Augen, was auch für die rund 21.000 Patienten gilt, die sich jährlich im UKE einem Eingriff unterziehen. Ab Mai sollen auch die NarkoseärztInnen anderer Hamburger Kliniken an dem Gerät geschult werden. Lisa Schönemann