Aus alten Gemäuern

■ In Borgfeld entsteht aus dem Erbhof der Familie Jacobs ein großzügiges Ökomietshaus für drei Generationen

Das Niedrigenergie-Traumhaus ist machbar! Draußen vor den Toren Bremens entsteht es gerade, als ein Mietshaus für drei Generationen, direkt an der Borgfelder Heerstraße und mit Blick auf die sanften wässrig-grünen Wümmewiesen. Ein Traum von 12 Mark Kaltmiete pro Quadratmeter.

Der niedersächsische Erbhof der Familie Jacobs wird derzeit umgebaut. Investoren sind die fünf Kinder des unlängst verstorbenen Landwirts Daniel Jacobs aus Bremens berühmter Jacobsfamilie. Und Initiatorin des Ganzen ist Hanna Jacobs, die auf dem einstigen Bauernhof ihre Kindheit verbrachte: „Immer lebten wir hier mit über zehn Leuten aus mindestens drei Generationen, die Familie, die Praktikanten, die Angestellten. Und wenn wir mal Zoff mit den Eltern hatten, dann gingen wir zu den Großeltern“, erinnert sich die Jacobs-Tochter. Ein realisierbarer Traum. Denn das Geld dafür ist da – und Interessenten gibt es auch schon genug.

Am 1. November dieses Jahres soll die zwei schweren Gebäude auf dem einstigen Bauernhof ihrer neuen Bestimmung übergeben werden: Als neue Heimat auf Mietzins- und Glasstein-Basis für neun kinderreiche Familien und wahrscheinlich 16 alte Menschen. Die Miete steht schon fest, auch die wärmedämmenden Glassteine sind schon rundherum eingezogen – „dafür mußten wir die Gebäude erstmal, Meter für Meter, in die Luft hängen“, so Architekt Jochen Schmidt vom Bremer Planungsbüro Angelika Lass. Doch noch ist vieles zu tun, bis daß das wuchtige Bauerngehöft sich in ein Mietshaus in bester Bremer Stadtrandlage verwandelt hat.

Richtig schön war der einstige Hof wohl nicht. Eher ein Prachtexemplar für praktikable Häßlichkeit, ein niedersächsisches Zwei-Ständer-Haus aus dem 15. Jahrhundert mit angestückelten Anbauten hier, betonierter Stallerweiterung da. „Wie die Bauern das eben so machten“, lacht der Architekt des zukünftigen Ökowohnhofs.

Auch das ganz bestimmt verhexte, schnuckelige Brothaus ist heute noch rundum mit grauem Asbest verkleidet. Fast rundum. Hinten, die Rückwand, ist über und über mit Wein bewachsen – „diese Wand bleibt“, bestimmt Hanna Jacobs, nur innen muß der Putz runter: Mal seh'n, ob da nicht Fachwerk zum Vorschein kommt. Irgendwann soll hier im gußeisernen Ofen ein „Großvater mit Kindern Brot backen; das ist doch fabelhaft“. Wenn die Baufrau das so sagt unter dem schrumpeligen Apfelbaum, den ihr eigener Vater noch selber aufprofte, dann glaubt man's ihr.

Aber erstmal sind die 1.500 Quadratmeter Wohnfläche dran. Im einstigen Kuhstall soll die Jugend wohnen. Familien, bevorzugt: alleinerziehende Eltern, in Wohnungen bis zu 140 Quadratmeter groß. Gern hätte Jochen Schmidt ein paar Mauern der Stallanlagen stehen lassen: „Aber ich hatte Angst, daß da Nitratrückstände drin bleiben“. Kuhpisse eben. Aber auch das oberste Gebot fürs Niedrigenergiehaus läßt sich so leichter einhalten: Bloß keine Mauerritzen und wackeligen Fensterrahmen – bei unkontrolliertem Luftzug kollabiert das System.

Nebenan, im ehemaligen Haupthaus, wo einst Mensch und Vieh gütlich nebeneinander wohnten und in Zukunft der Altenteil seine Bleibe hat, kleben Handwerker gerade Plastikbänder über die Fugen. Eine letzte Luftdichtung mit den Mitteln der Moderne. Wahrscheinlich hätten auch schon die doppelten Fälze gereicht, mit denen das Holz im Stein eingepaßt ist. Die Badezimmer-Dämpfe müssen woanders raus. Dafür gibt es Abzugsrohre. Die münden am einstigen Eulenschlupfloch an der Spitze des alten Krüppelwalmdachs.

So entsteht aus altem Gemäuer ein Ökohaus. Mit allem, was dazugehört. Fünf Meter tiefe Regenwassertonnen für die Klospülung; die Pumpe wird durch Silicium-Zellen angetrieben. Sonnenkollektoren fürs warme Wasser. Und autofreie Parkplätze am Rande des 8.000 Quadratmeter-Grundstücks. Die Plätze muß es geben, das ist Vorschrift; Autos aber, so der Wunsch der künftigen Vermieter, bitte nur im Car-Sharing. Der Bus hält ja direkt vor der Tür, die Netzkarte ist in die Miete inbegriffen, und die Parkplätze könnte man als Skatebahn nutzen. Die InteressentInnen schreckt das nicht. Selbst für die Wohnung der Kindergärtnerin, die direkt über der hofeigenen Kita wohnen soll, gibt es schon Vormeldungen. Die 12 Mark Kaltmiete scheinen nicht zu hoch angesetzt.

Und auch die Investoren werden noch ihre Rendite machen. Trotz Ökobauweise und nostalgischer Apercus. Das wundervolle alte Eichengebälk im Inneren des neuen Gemäuers zum Beispiel bleibt erhalten. Reminiszenzen – aber tragende! – an die alten Bauernstuben. So wie das Ständerwerk im Dachgeschoß, das mit seinen Streben unter der Gaube freischwebend die einstige Dachschräge nachzeichnet. Und auch der große lehmverkleidete Gemeinschaftsraum läßt sich mit normalen Investorengelüsten wohl kaum vereinbaren.

Daß der Jacobshof auch ohne diese teuren Extras ein Prototyp auf dem Markt der Öko-Mietshäuser bleiben wird und so schnell nicht in Serie geht, glaubt mit etwas Skepsis in der Stimme Kerstin Rosemeier, die im Auftrag der Bremer Energieleitstelle dem engagierten Architekten zur Seite stand.

„Es gibt Ökotechniken, die für die Vermieter einfach unwirtschaftlich bleiben“, betont sie: „Bei Wärmedämmung, sonnengeheiztem Wasser, Brauchwasserbecken sind es nun mal vor allem die Mieter, die sparen: Sie sind es, die von den niedrigeren Nebenkosten profitieren.“Für Frau Rosemeiers Tätigkeit kam die Bremer Energieleitstelle auf, die auch ein Fünftel der Kosten für den ökologischen Umbau trägt.

ritz