„Beitragen, daß die Probleme größer werden“

■ Immer nur Endspiele: Hertha BSC tritt heute um 15.30 Uhr im Olympiastadion gegen den von der Erfolgsspur abgekommenen VfB Stuttgart an und hofft auf Punkte gegen den Abstiegskampf

„Von einer Krise kann man nicht sprechen“, beschied Stuttgarts Trainer Joachim Löw unter der Woche hartnäckigen Kritikern, die ihn partout für die zuletzt desaströsen Bundesliga-Auftritte seines Arbeitgebers verantwortlich machen wollten. Hinter Löws Rücken versuchten währenddessen die kurzbehosten VfB-Angestellten, nervös geworden durch ausbleibende Erfolgserlebnisse und entgangene Siegprämien, ihre internen Diskrepanzen mit den Fäusten auszuräumen.

Auch Hertha-Trainer Jürgen Röber, der bis April 1995 als Übungsleiter am Neckar fungierte, sind die blanken Nerven des schlagkräftigen Gegners nicht entgangen. „Auch wenn die Probleme haben, ist Stuttgart immer noch eine gute Mannschaft.“

Manager Dieter Hoeneß, der 1995 gemeinsam mit Röber im Schwabenland entlassen wurde, gibt sich hingegen der Schadenfreude hin. Deeskalation ist seine Sache nicht, der hochstirnige Ex- Profi setzt auf Konfrontation: „Wir könnten dazu beitragen, daß die Probleme in Stuttgart größer werden.“ Trotzdem werden heute wieder die offiziellen Verbands- Transparente „Fair geht vor“ im Stadionrund gehißt.

Am Einsatz im Vorfeld der eiminent wichtigen Partie im Olympiastadion mangelt es also nicht. Die Süddeutschen gieren noch immer nach einem Startplatz im Europapokal. „Es wäre eine mittlere Katastrophe für den VfB, wenn er nicht im internationalen Geschäft dabei wäre“, nimmt Röber hoeneßsche Charakterzüge an. Die Berliner wiederum benötigen jeden Zähler, um sich vor dem hartnäckigen Abstiegsgespenst in Sicherheit zu bringen.

„Für uns ist es wie immer ein Endspiel“, entschuldigt sich der Trainer für seine Standardvorschau der letzten Wochen. Aber seitdem Hertha sowohl in Köln (0:2) als auch vor heimischem Publikum gegen Schalke (1:4) die Punkte unerwartet abgeben mußte, gewinnen Röbers Worte an trauriger Wahrheit. Lediglich der Castor-Transport durch Westfalen, der Herthas Gastspiel in Bochum vor Wochenfrist platzen ließ, stoppte die Talfahrt.

Weit ist es aber nicht mehr bis in den Tabellenkeller der Liga, da die Konkurrenz sich nicht an Expertentips hält und spontihaft-anarchistisch sogar in schier aussichtslosen Begegnungen punktet.

Ausgerechnet in dieser heiklen Situation drohen den Einheimischen gegen Stuttgart schwerwiegende Ausfälle. Defensiv-Arbeiter Sixten Veith muß nach einer Operation am Ohr aussetzen. Der Norweger Kjetil Rekdal leidet noch immer an den Folgen eines Wadenbeinbruchs, so daß die Planstelle des Abwehrorganisators bei Hertha derzeit noch vakant ist, denn auch Rekdals designierter Stellvertreter Steffen Karl fühlt sich nach einer Fersenverletzung noch reichlich derangiert.

„Steffen würde sich notfalls fitspritzen lassen“, verkündet Coach Röber trotz des offiziellen Versprechens „Keine Macht den Drogen“. Auch Stürmer Andreas Thom, als Hoffnungsträger geholt, ist nach Schmerzen an der Achillessehne nicht im Vollbesitz der nötigen Kräfte. Also bleibt wieder alles am typisch deutschen Mittelmaß hängen. Herr Schmidt, Vorname Andreas, soll die Kreise des Stuttgarter Mittelfeldzauberers Krassimir Balakow entscheidend einengen. Jürgen Schulz