Netanjahu zeigt sich unbeeindruckt

■ Die Mission des US-Vermittlers Dennis Ross wird die starre Haltung Israels gegen jeden weiteren Truppenrückzug kaum verändern können

Jerusalem (taz) – Die US-Regierung zögert. Auch vor dem gegenwärtigen Besuch von US-Vermittler Dennis Ross in der Region hat sie ihre Ideen zur Wiederbelebung des nahöstlichen Friedensprozesses nicht offiziell bekanntgegeben. Dabei wäre nichts notwendiger als die Vermittlung einer dritten Partei, um die völlig unvereinbaren Standpunkte von Israelis und Palästinensern einander anzunähern. Inoffiziell fordern die USA einen 13prozentigen Rückzug aus dem Westjordanland und ein „Time-out“ im Siedlungsbau. Ross soll hierzu die Meinung von Israels Ministerpräsident Netanjahu und Palästinenserpräsident Arafat einholen.

Die israelische Regierung hat vorgebaut. „Ich kann kein Diktat akzeptieren“, erklärte Netanjahu, ohne daß ein solches ausgesprochen wurde. „Ich habe nicht die Absicht, die USA daran zu hindern, Vorschläge zu machen, aber sie sollten die richtigen Vorschläge machen“, fügte er hinzu. Über Israels Sicherheitsbelange könne nur Israel selbst entscheiden.

Netanjahu steht unter Druck der Groß-Israel-Protagonisten. Zehn von ihnen drohten gestern in einer Anzeige in der Jerusalem Post damit, die Regierung zu Fall zu bringen, sollte Netanjahu einem weiteren Rückzug zustimmen. Dazu aber allerdings ist Israel laut den Interims-Abkommen verpflichtet: Bis zum Sommer 1998 stehen demnach drei Teilrückzüge an. Allerdings darf es den Umfang dieser Rückzüge selbst bestimmen.

Bislang hat Netanjahu einen neunprozentigen Rückzug aus dem Westjordanland ins Spiel gebracht, was sinnigerweise einem 13prozentigen Rückzug aus der völlig von Israel kontrollierten Zone C entspricht. Hier ist eine Annäherung an die USA möglich – nicht jedoch in der Siedlungspolitik.

Das Verteidigungsministerium hat in dieser Woche in Aussicht gestellt, drei „wilde Siedlungen“ als legal anzuerkennen. Damit hätte Israels Regierung erstmals nicht nur bestehende Siedlungen erweitert, sondern neue geschaffen – und den Grundstein gelegt, die Ross-Mission erneut ins Leere laufen zu lassen. Netanjahu könnte durchaus darauf spekulieren, auf diese Weise die USA endgültig zu frustrieren und den gesamten Friedensprozeß definitiv zu kippen. Das würde zwar seine Regierungskoalition retten. Was aber danach kommt, ist fraglich.

Auf palästinensischer Seite gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen. Die einen plädieren dafür, einen Abzug, in welcher Höhe auch immer, zu akzeptieren, um den Friedensprozeß überhaupt am Leben zu erhalten. Die anderen warnen vor weiteren Kompromissen, da dies die palästinensische Verhandlungsposition völlig torpedieren würde. Arafat, der einen 30prozentigen Rückzug fordert, hat sich noch nicht geäußert – er habe bislang weder von US-amerikanischer noch israelischer Seite ein Angebot erhalten. Er setzt auf den Druck aus den USA auf Netanjahu, alle drei Teilrückzüge spätestens im Sommer dieses Jahres abzuschließen. Netanjahu hat einen dritten Teilrückzug aber bereits kategorisch abgelehnt. Seine Botschaft ist klar: Wenn die Palästinenser nicht nehmen, was ihnen geboten wird, kriegen sie gar nichts. An diesem Diktat wird auch die Ross-Mission wenig ändern. Das aber wird die Reihen der islamistischen Hamas-Organisation füllen. Mit allen Konsequenzen. Georg Baltissen