Admiral geht, Pionierleiterin kommt

Nach dem Rückzug von Elmar Schmähling als PDS-Direktkandidat im Bundestagswahlkreis Mitte/Prenzlauer Berg ist die Partei wieder im Osten angekommen: Jetzt schickt sie die Berliner PDS-Landeschefin Petra Pau ins Rennen  ■ Aus Berlin Jens König

„Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?“ wird PDS-Chef Lothar Bisky im aktuellen Fragebogen des FAZ-Magazins gefragt. Seine Antwort: „Flüchtigkeitsfehler“. Einen solchen kann der PDS- Vorsitzende bei der Bundestagskandidatur von Elmar Schmähling nicht in Anspruch nehmen. Der Rückzug des Ex-Admirals ist für die PDS eine Katastrophe.

Vor vierzehn Tagen hatte die Partei nach langer Suche mit Schmähling einen Überraschungskandidaten für den wichtigen Bundestagswahlkreis in Berlin-Mitte/ Prenzlauer Berg präsentiert. Einen Westdeutschen. Einen Bundeswehrkritiker. Einen ehemaligen Geheimdienstchef! Das war ganz nach dem Geschmack der PDS- Führung, die mit ihrem Konzept der offenen Liste genau darauf setzt: Prominente aus dem Westen sollen zeigen, daß sich die PDS politisch öffnet. Das wichtigste Kriterium dafür lautet in der Medien- Demokratie: Über den Kandidaten muß vor allem geredet werden, egal was. So gesehen, erfüllte Schmähling in den letzten Tagen alle Wünsche der Parteispitze.

Wenn es da nicht diesen klitzekleinen Betrug samt Ermittlungsverfahren gegeben hätte.

„Wir haben das unterschätzt“, sagen Lothar Bisky und Gregor Gysi jetzt kleinlaut. Das laufende Ermittlungsverfahren gegen Schmähling beeinträchtige sein politisches Engagement, klagen sie. Als ob sie daran nicht selbst Schuld hätten. Vor ein paar Monaten noch hatte die vierköpfige Findungskommission der Partei – Bisky, Gysi, Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch und Wahlkampfleiter André Brie – eine Kandidatur von Schmähling für die PDS abgelehnt. Sie wußten, daß der Ex-Admiral 1996 zwei Computerfirmen in den Sand gesetzt hatte und gegen ihn ein Ermittlungsverfahren lief. Zu heiß, hieß damals das Urteil der „Viererbande“. Als ihr jedoch die Bewerber für den Wahlkreis Mitte/ Prenzlauer Berg reihenweise absagten, erinnerte sich die PDS- Spitze in ihrer Not an Schmähling. Innerhalb weniger Stunden machte sie ihn zum Kandidaten.

Bedenken bei den PDS-Mitgliedern überspielte Gysi mit lockeren Sprüchen. „Ein Ermittlungsverfahren bedeutet noch gar nichts“, klärte er seine Schäfchen auf. „Ansonsten müßte ja die halbe Regierung von Brandenburg zurücktreten.“ Als jedoch innerhalb weniger Tage immer mehr Details von Schmählings Konkursen bekannt wurden, verging der PDS- Spitze das Lachen. Nicht nur Banken traten als Gläubiger auf, sondern auch kleine Firmen und Privatpersonen – insgesamt 250 Gläubiger. Schmähling und sein Kompagnon sollen nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft knapp eine Million Mark Schulden haben. Im April soll Anklage erhoben werden. Da hört der Spaß mit der Siegerjustiz selbst für Ostdeutsche auf. „Diese finanziellen Details waren uns nicht bekannt“, räumt PDS-Geschäftsführer Bartsch ein.

Nach einem Gespräch Gysis mit Schmählings Anwalt am Mittwoch dieser Woche zeichnete sich das Ende des Genossen Admiral ab. Am Donnerstag dann zogen Bisky, Gysi, Brie, Bartsch im Beisein der potentiellen Nachfolgerin Petra Pau die Notbremse. Die Entscheidung in diesem Kreis fiel nicht einstimmig; zwei der fünf hätten mit Schmähling weitergemacht.

Dann ging alles ganz schnell. Petra Pau, die Berliner PDS-Landeschefin, erklärte sich zur Kandidatur bereit. Sie war vor Monaten schon einmal im Gespräch, aber von der Parteispitze nicht so richtig gewollt, weil diese überzeugt davon war, in dem umkämpften Wahlkreis nur mit einer Persönlichkeit eine Chance zu haben, die nicht aus den eigenen Reihen kommt. Pau war beleidigt und zog ihre Kandidatur zurück. Jetzt tritt sie an und spielt gern die Retterin in der Not. In einer für die PDS schwierigen Situation wolle sie ein Aufbruchsignal setzen, sagt die 34jährige. Ob ihr das gelingt, darf bezweifelt werden. Petra Pau war früher Pionierleiterin – die entsprechende Ausstrahlung hat sie heute noch. Mit ihr ist die PDS wieder im Osten angekommen.

„Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?“ heißt eine andere Frage an Bisky in dem FAZ-Fragebogen. „Hellseherei“, antwortet er. Da kann geholfen werden: Den Wahlkreis Mitte/ Prenzlauer Berg und das Direktmandat für den Bundestag kann die PDS abschreiben.