„Paarungsakte   – wer macht   das schon...“

Tabledance statt Kopulationsshows: Im „Dollhouse“, Nachfolger des „Salambo“, will man Erotik mit Niveau bieten. Die Bar besuchten  ■ Christine Holch & Stephan Pflug (Fotos)

recko wedelt mit dem Handy: „Ich hab' zu wenig Frauen, wo ist Tia?“Die Show hat schon vor einer halben Stunde begonnen. „Der hab' ich freigegeben, dafür ist Tequilla da“sagt Geschäftsführer Odin Janoske nach einem Blick auf den Plan für die Tänzerinnen. Trotzdem fehlt eine Frau, wegen Krankheit. „Scheiße“, sagt Srecko, der in der neuen Stripbar „Dollhouse“in der Großen Freiheit für die Betreuung der „Mädels“und die Choreographie zuständig ist – und auch selber auftritt. Endlich hat er Kiki am Handy. „Hör mal, Schatz, wir brauchen dich“, flötet er. Kiki läßt sich erweichen, und Srecko entschwindet erstmal ins Solarium.

Geschäftsführer Janoske lehnt sich aufatmend zurück. Wo heute sein Büro ist, zwängten sich einst sechs Kabinen mit Badewannen und Spiegeln aneinander: die berüchtigten Séparées des „Salambo“, das 1997 wegen Förderung der Prostitution geschlossen wurde. Vom „Salambo“ist bis auf die Personaldusche nichts mehr übrig. Jede Wand wurde eingerissen, jedes Kabel ersetzt.

Mit den neuen Eigentümern kam auch ein neues Konzept: Kopulations-Shows wie einst im „Salambo“und heute noch im „Safari“und „Tabu“gibt es im „Dollhouse“nicht. „Das ist nicht mehr gefragt“, sagt Janoske, ein 30jähriger mit blondem Pferdeschwanz. „Man findet auch schwer gute Leute“, mischt sich ein schwarzmähniger Hüne ein, der gerade Wechselgeld sortiert. „Paarungsakte auf der Bühne – wer macht das schon! Als Pornodarsteller in Filmen verdient man viel mehr.“

Auch Anfassen ist nicht im „Dollhouse“. Einzig erlaubte Berührung: Die Gäste dürfen den TänzerInnen Geldscheine hinters Strumpfband stecken, „Dollhouse-Dollars“im Wert von zwei Mark fünzig. Janoske will „Niveau“. Keine Verabredungen für nach der Show, keine Séparées. Statt dessen „Transparenz“. Dazu gehört, daß die Gäste nicht von Animierdamen zu Champagner für mehrere hundert Mark überredet werden. Man kann ungestört am Tresen ein Bier trinken. Die Preise haben Disco-Niveau.

Für den Eintritt zahlen die Gäste 15 Mark. Dafür sehen sie auf dem Tresen, in drei Käfigen und auf der Bühne gleichzeitig vier Frauen und einen Mann tanzen. Wer einen Strip auf seinem Tisch haben möchte, zahlt 35 Mark extra. „Tabledance“original aus den USA und einzigartig in Deutschland, behauptet Janoske. In anderen Hamburger Etablissements „tanzen die Frauen nur auf der Bühne, weitab vom Gast.“Und „unsere Models sind alles Tänzerinnen, keine Hausfrauen“. Woran man das merkt? „Spagat kann jede.“

Janoske ist Versicherungskaufmann, hat aber acht Jahre Erfahrung als Gastronom gesammelt: in der „Wunderbar“auf Sylt, mit „The Rock Cafe“in der Großen Freiheit und dem „Why not“am Hamburger Berg. Sein Partner, mit dem er als Kind auf St. Paulis Schulhöfen gespielt hat, ist der 30jährige Jurastudent Andreas Schenkat.

21.30 Uhr. Im Showroom mit rotem Teppich, Neonlicht und Spiegeln sitzen rund 70 Männer vor Bier oder Longdrinks. Vier Frauen in Spitzenwäsche und ein Mann im Body räkeln sich um Stahlstangen herum und in Käfigen. Die Atmosphäre ist noch müde. Zwei jüngere Männer geben sich mutig und stecken die Köpfe von außen durch die Käfigstangen. Die Tänzerin geht sofort auf sie ein, rüttelt an den Stangen, wölbt den Leib in einer Welle. Eine andere stakst auf Stilettabsätzen über die Theke, an Biergläsern und Aschenbechern vorbei.

Ein erster Strip wird verlangt. Die Tänzerin läßt ihre Hüfte vor dem Gesicht des Bezahlers kreisen. Der steckt ihr mit dem Mund einen gefalteten „Dollhouse-Dollar“entgegen. Die Frau drückt die Busen mit den Händen zusammen, um den Schein in Empfang zu nehmen. Anerkennendes Raunen in der Männerrunde. Die Frau macht einen Ausfallschritt, der Mann kann ihr zwischen die Beine schauen.

„Aber das dürfen sie nur, solange sie noch was anhaben“, sagt Srecko, der sich für seinen Auftritt zurechtmacht. Erotische Bewegungen ja, aber „ästhetisch“, so sein Credo. Wenn die Tänzer und Tänzerinnen nackt sind, „sollen sie nur ganz kurz die Hand wegnehmen, aber nicht einen Spagat machen, nicht alles zeigen“. Der Mann mit der tätowierten Hand auf dem rasierten Schädel wickelt sich ein Handtuch um die Hüfte und zieht sich darunter seinen Show-Slip an. Dann sprüht er sich „Venezia“gegen Brust und Slip. Was ist der Traum von Striptänzern, vielleicht die Pornobranche? Srecko schüttelt sich: „Nein, Musikvideos.“

Fünf Stühle weiter sitzt Silvia vor dem Spiegel. Sie hat bereits einen Strip hinter sich. Es war ein bißchen schwierig, denn der Gast saß alleine am Tisch, „und es war sein erstes Mal“. Sonst, wenn schwer Stimmung aufkommt, macht Silvia gern auch „witzige Sachen“: dem Mann den Schlips ausziehen oder ihn zum Mittanzen auf den Tisch holen. Die 30jährige ist gelernte Altenpflegerin und hat „schon immer gern getanzt.“Noch nie allerdings in Erotikshows. „Aber hier ist es seriös.“Silvia ist sozialversicherungspflichtig angestellt. Ihre Familie weiß davon.

Plötzlich wird es hektisch in der Garderobe. Srecko ist für einen Paartanz geordert worden. „Ich zieh die Fransenjacke an und Geschirr“, ruft er seiner Partnerin zu. Die muß ihm schließlich das Zaumzeug wieder vom Leib nesteln. Und schon winden sie sich auf dem Tisch umeinander. Die Dame in der Herrenrunde ist durchaus angetan. Sie ist selbst Gastronomin und wollte sich das neue Etablissement mal ansehen. Die meisten anderen Gäste sind Erstbesucher. Das Konzept „Erotik und Gemütlichkeit für ein Publikum ab 30“scheint anzukommen: Während die Reeperbahn an diesem Wochentagabend ausgestorben daliegt, drängeln sich an die 200 Gäste im „Dollhouse“.

„Aber mir ist das zu klinisch hier“, sagt ein Anfangdreißiger. Ein anderer ergänzt: „Die Mädchen sind hübsch, aber ...“Wenn er schon ins Rotlichtmilieu geht, so meint er, hätte er sich doch mehr Prickel versprochen. Prickel oder Schmuddel? Der Sicherheitsmann an der Tür ist jedenfalls froh, daß er nicht wie die Koberer vor den „Schmuddelläden“Kundschaft anbaggern muß. Er ist nur da, um Betrunkene oder gröhlende Fußballklubs abzuhalten. „Aber die werden eh von den Läden da drüben angesaugt und abgezockt.“