■ Bücherfrühling geht, Frühling kommt:
: Leipziger Lesezeichen (6 und Schluß)

Die Buchmesse ist vorüber. Schön war's. Weniger muffig zwar in den neuen Hallen, aber die Bücherwurmtrambahnen waren toll. Und ein letztes Lesezeichen hätten wir beinahe übersehen. – Es ist:

Gabi Stölzer-Kachold: „Tampingpong. Selbstauskünfte“, 688 Seiten, (Hardcover) 9,99 DM, Dietz Berlin

Textauszug: „ich habe ewig gekämpft, und wir haben natürlich immer dafür gekämpft, daß die IMs aufgelegt werden, weil wir alle wußten, um die gauck-behörde oder unter denen, die da agiert haben, daß die sprache auch einmal befreit werden muß von denen, die die sprache knebeln. und ich denke, daß meine texte natürlich auch keine chance haben in so einem kreis. sie dienen ja nicht der literatur oder sprache, sondern sie dienen dazu, eine andere sprache zu legalisieren. mein körper ist auch einmal der raum. irgendwann ist das auch erfurt. daß erfurt für mich lebbar ist, daß hier eine sprache entsteht, die natürlich eine hohe qualität hat. und ich will noch an ganz andere dinge herankommen, die unaussprechbar sind, weil ich um die verletzbarkeit der sprache weiß. ich will natürlich die regeln der deutschen sprache brechen, bis sie auch einmal meinen inhalt wiedergibt. juppheidi. ich habe viel früher mit meinem Ich auch einmal mein Frau-Sein dargestellt und bin natürlich viel eher ins erwachsenenstadium gekommen. ich kämpfe natürlich um meinen beruf als frauenschriftstellerin, daß ich auch einmal zeit habe zu schreiben. nacht für nacht habe ich in die sterne gefleht, auch einmal schreiben zu können. denn in der literatur gibt's ja auch einen absatzmarkt und viele leser. ich denke natürlich nicht so marktträchtig wie ihr. das kann man natürlich alles so denken, aber ich versuche hier doch nur ein denken, das auch einmal real ist. das ist ja die tragik hier im osten, daß, egal wo man hingreift, alles nach der vergangenheit treibt und nicht in die zukunft. weil, ich bin natürlich dadurch, daß ich da bin, auch die zukunft. die stasi war wie die pille, die die schweine da oben eingenommen haben, damit das kommunistische ei unbefruchtet springen kann. als frauenschriftstellerin bin ich natürlich wie ein tampon, ich sauge alles auf in dieser stadt, ich hätte natürlich das ganze blut einer blutigen revolution 1989 in mich aufsagen können, dann hätte ich es natürlich als neue verletzbare sprache auch einmal wieder von mir gegeben, denn ich weiß um die verletzbarkeit der sprache. sie fließt in mich hinein, sie fließt durch mich durch, sie fließt aus mir heraus, und sie löscht alles feuer, das ihr in mir gelegt habt, gesetzt hattet, zur letzten vernichtung. ich lösche das feuer natürlich mit blut, ruckizucki, in meinem geschändeten leib wächst euer letztes licht. denn meine tränen sind nicht euer leid, mein blut ist nicht euer schmerz, und meine schreie überhört ihr sanft. ihr versteht nicht diesen zuckenden leib und die verkrallten hände. ich kann es natürlich auch einmal mit quicken probieren. die unbewältigten einzelverletzungen addieren sich natürlich auch im unterbewußtsein, die reizübertragung ist ein schon ewig oft überzogener punkt, die reizgrenze ist körperliches spüren, damit ihr das endlich auch einmal begreift. deswegen habe ich ja in erfurt auch diese schwulengruppe für frauen aufgebaut, mit der ich natürlich auch jetzt noch arbeite. weil ich natürlich gesehen habe, wie schön es für die männer ist, daß sie ihre lesbengruppen haben, und wie wunderbar es ist, sich natürlich auch einmal im eigenen geschlecht zurückfallen zu lassen, wieviel erlebnisfähiger man um sich selbst wird, wenn man als frau plötzlich auch einmal viel über männer weiß und über frauen. los, findet mich doch mal toll. der sascha anderson hat mich auch einmal toll gefunden und der dings, na wie heißt der gleich, scheiße, also der natürlich auch.“ Michael Rudolf