Die Hand ganz ruhig

■ VfB-Trainer Joachim Löw bleibt Löw

Ein unschönes Bild: Joachim Löw, Trainer des VfB Stuttgart, saß auf dem Podium und mußte sehen, wie ein Mann den Raum eilig durchschritt und im hintersten Eck stoppte. Wuuuusch – wie da alles hinrannte. Als gäbe es Sporttaschen umsonst. Es ging aber bloß darum, von Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder Fragen beantwortet zu bekommen.

Was war geschehen? Der VfB Stuttgart hatte nach dem 0:3 gegen Bayern auch bei Hertha BSC 0:3 verloren. Stimmt nicht ganz: Ein B-Team hatte verloren, das – je nach Betrachtungsweise – Wohlfahrt, Verlaat, Berthold und Schneider verstärkten oder auch nicht. Aufsteiger Hertha ermöglichte das einen gelungenen Nachmittag: Mit der üblichen Disziplin und einigen individuellen Fähigkeiten hat das Unternehmen – bei allem Vorbehalt – mit nun 36 Punkten die Abstiegsfrage ad acta gelegt.

Trainer Röber, Manager Hoeneß und Aufsichtsratschef Robert Schwan können sich nun in Ruhe mit netten Menschen treffen, Thomas Häßler zum Beispiel, um die zweite Stufe des Konzepts anzugehen: Qualitätssteigerung im zweiten Bundesligajahr.

Mayer-Vorfelder muß derweil schauen, daß „die Vereinsführung ihrer Verantwortung gerecht“ wird. Er ist aber nicht (immer) allein die Vereinsführung. Sonst wäre es einfach. So aber wird wohl Löw am Donnerstag gegen Lokomotive Moskau den ersten Schritt in Richtung Europapokalfinale zu tun haben. Gesetzt den Fall, das klappt, kann man am Sonntag gegen Köln den etwas wackligen fünften Platz konsolidieren. Hier wäre nun der Ort, um einzuwerfen, der Klub stünde doch eigentlich besser da als die meisten anderen – hallooooh! Möchte das einer einwerfen? Offenbar nicht.

Das Problem ist auch nicht der Tabellenplatz oder eine drohende Entlassung, es ist der Punkt, an dem Löw mit einem Arbeitsstil ist, der das Wort „autoritär“ durch „kollegial“ ersetzt hat und der auf dem Prinzip Eigenveranwortung für die Gruppe gründet. Daß Löw für das Hertha-Spiel Poschner und Haber suspendiert hatte, zeigt, wie es um dieses Gegenmodell steht. In der Realität von heute stehen neben der Gleichgültigkeit der Mitläufer vor allem die Absatzbewegungen, die die Meinungsführer Bobic, Verlaat (Balakov sowieso) unternommen haben. So ist die Situation entstanden, daß Thomas Berthold fast als leuchtendes Beispiel für Engagement und Loyalität dasteht.

Trotzdem ein schönes Bild: Löw auf dem Podium sitzend, scheinbar die Ruhe selbst. Die üblichen Fragen an ihn erstaunlich skrupulös gestellt. Keine Endzeitstimmung, kein Hadern, keine Tiraden. Was passiert in dieser Woche? „Am Donnerstag spielen wir gegen Moskau“. Löws Hand ganz ruhig am Wasserbecher. Peter Unfried