Unter der Erde ist viel Platz für Sondermüll

■ Die Müllentsorgung in stillgelegten Bergwerken ist billig – und gefährdet langfristig das Grundwasser. Ostdeutsche Gruben locken mit Sonderpreisen von 30 Mark pro Tonne

Berlin (taz) – Zwei Frauen – ein Plan. Niedersachsens Noch-Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) will im Steinsalzrevier Riedel nordöstlich von Hannover eine Untertagedeponie errichten lassen. Gegenwärtig bereiten Fachleute für den ausgewählten Schacht südlich von Celle das Planfeststellungsverfahren vor. Griefahns Amtskollegin Heidrun Heidecke (Bündnisgrüne) in Magdeburg hatte die gleiche Idee. 15 Kilometer nördlich von Magdeburg befindet sich im alten Kalischacht Zielitz die erste Untertagedeponie der östlichen Bundesländer. Seit zwei Jahren wandern Bauschutt, Härtesalze, Lacke sowie Krankenhaus- und Chemieabfälle in den 200 Millionen Jahre alten Salzstock.

Vor allem in ausgedienten Kohle- und Kalibergwerken verschwinden seit Jahren Müllverbrennungsschlacken, kontaminierte Böden sowie geschredderte Kunststoffabfälle mit dem Grünen Punkt. Weil die riesigen Hohlräume unter Tage einzustürzen drohen und das Bergrecht eine „Pflicht zur Verfüllung“ vorsieht, wittert die krisengeschüttelte Bergbaubranche ein Riesengeschäft. Schließlich gibt es für den Füllstoff auch noch Geld.

Das Freiburger Öko-Institut legte jetzt ein Dossier vor, nachdem 1994 allein 350.000 Tonnen Sondermüll in ehemaligen Kohle-, Kali- und Uranminen entsorgt wurden. Während auf Giftmülldeponien die Abfälle gekennzeichnet, getrennt gelagert und in Fässern verpackt werden müssen, schafft man in Bergwerken Abfälle aller Art unter die Erde. Und dafür, daß das auch weiterhin ohne die strengen EU-Umweltauflagen für Deponien geschehen kann, hat Bundesministerin Angela Merkel erst vergangene Woche in Brüssel gesorgt.

Das sind „die Altlasten von morgen“, sagt Peter Küppers vom Öko-Institut. Nach seinen Informationen stehen in stillgelegten Gruben Thüringens 90 Millionen, Sachsens 80 Millionen und Hessens 60 Millionen Kubikmeter Hohlraum zur Verfügung. Im Osten sind zahlreiche privatisierte, ehemals volkseigene Gruben inzwischen dankbare Abnehmer von „bergfremden Stoffen aus Feuerungsanlagen“. Müssen Müllofenbetreiber auf Deponien 600 bis 900 Mark pro Tonne bezahlen, nehmen die westdeutschen Ruhr- Bergwerke die Tonne für 300 Mark ab.

„Die Aktivitäten der Kali-Gruben in Ostdeutschland könnten die Preise aber bald unter Druck setzen“, so befürchtet Ruhrkohle- Monalith-Chef Manfred Plate. Im Thüringischen Teutschentahl wandern Industrieabfälle laut Öko-Institut für den Dumpingpreis von 30 Mark pro Tonne unter Tage. Dagegen protestiert widerum Griefahn: „Aufwendig abgedichtete Sondermülldeponien über und unter Tage können mit Ex-Bergwerken, die keine hohen Sicherheitsstandards erfüllen müssen, finanziell nicht konkurrieren.“ Das deutsche Bergrecht erlaubt nämlich den Versatz ohne Raumordnungsverfahren, während eine Untertagedeponie nicht ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung auskommt.

Gleich zwei Arbeitsgruppen diskutieren seit Jahren ohne Ergebnis über die Zulassung von Abfällen untertage: Die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall, in der die Umweltbehörden vertreten sind, und der Länderausschuß Bergbau, der beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt ist. Unter den 57 Stoffen, die laut einer „Positivliste“ in die Bergwerke wandern können, befinden sich immerhin 29 besonders umstrittene Sonderabfälle.

Um als Versatz getarnte Müllschiebereien zu vermeiden, wollen die Ministerinnen Griefahn und Heidecke nun das vor allem von Umweltschützern gepredigte Prinzip der „autarken Entsorgung“ jedes Landes aufgeben. Heidecke plädiert für eine Spezialisierung der Untertagedeponien: „Ein Land nimmt Krankenhausabfall, das andere Chemiemüll.“ Oliver Zelt