Der große Sat.1-Eklat

■ Film verstümmelt – Regisseurin zieht sich zurück („Rache für mein totes Kind“, 20.15 Uhr)

Mit großen Namen groß rauskommen möchte jeder gern. Doch die einen können's, die anderen nicht – Sat.1 führt vor, wie man es vermeidet. Wedels überbordendes St.-Pauli-Fake hin, Lauterbachs elf Millionen Mark schwere Opernball-Krawallrecherche her. Nur Geld und lautes Trommeln machen kein Renommee.

Da wird erst lauthals die Qualitätsoffensive unterm frisch polierten Gütesiegel „Der große Sat.1.- Film“ angekündigt. Doch dann: dann kommt er mal, dann wieder nicht, dann wird ein angejahrter Sönke Wortmann zwischen Stefanies verkramt, ausgewiesene AkteurInnen wie Susanne von Borsody und Ernst Jacobi als zerrissene Herzen verschlissen oder wie nun krampfig versucht, eine leise Arbeit von Bundesfilmpreisträgerin Vivian Naefe von 1996 auf „Melo-Schocker“ umzubürsten.

Weil es, so Sat.1.-Lautsprecher Dieter Zurstraßen, der Erwartung entspreche, muß krachend als „Rache für mein totes Kind“ verpackt werden, was Naefe als innere „Lautlose Jagd“ inszeniert hat. In dem bis in die drei Kinderrollen kompetent besetzten Psychostück geht es um Sehnsucht nach Liebe, um Schuld, um Sarkasmus und Sex als trügerische Fluchtpunkte. Die unaufgeräumte Beziehungskiste zwischen den Eheleuten Susanna Simon („Das Winterkind“) und Christoph Waltz („Fünf Zimmer, Küche, Bad“), die mit ihren Kindern auf ein Gehöft gezogen sind, mit Hansa Czypionka („Jenseits der Stille“) als wortkargem Handwerker und Fischer, schaukelt sich Zug um Zug tragisch auf. Fragen wie die nach dem Schicksal läßt Naefe als Denkfutter übrig.

„Ich verstehe nicht, daß man uns ein Bein stellt“, ärgerte sich Hansa Czypionka beim großen Sat.1.-Qualitätstamtam öffentlich über die grelle Effekthascherei. Als der Sender zuletzt auch noch die Filmmusik änderte, zog Regisseurin Naefe vergangenes Wochenende ihren Namen zurück. „Ich werde mit Sat.1 nicht mehr zusammenarbeiten“, so Naefe, „und kann das auch nur jedem anderen Regisseur empfehlen.“ In der Sat.1-Pressestelle mochte dann gestern niemand mehr etwas zu der Sache sagen. Ulla Küspert