Kandidatenkür mit Winkelementen und Geschrei

■ El Salvadors rechte Regierungspartei Arena hat einen neuen Präsidentschaftskandidaten. Francisco Flores wirbt mit reiner Weste und einer dubiosen akademischen Vergangenheit

San Salvador (taz) – Wenn El Salvadors rechte Regierungspartei Republikanisch-Nationalistische Allianz (Arena) einen Präsidentschaftskandidaten wählt, geschieht das so: Am Tag vor der Wahl wird ein überlebensgroßes Bild des Siegers im Versammlungslokal aufgehängt. Anschließend wird der Kandidat den Delegierten als Vorschlag der Parteiführung präsentiert. Die Menge kreischt und winkt mit blauweißroten Parteifähnchen, was dann als einstimmiges Votum gewertet wird. So war es auch am Sonntag. Parteichef Alfredo Cristiani fragte in San Salvadors Sportpalast: „Wollt ihr Francisco Flores?“ Die Menge kreischte, und der Kandidat war gekürt.

Vor einem halben Jahr noch hätte niemand gedacht, daß Flores, damals Präsident der Nationalversammlung, im März 1999 für Arena ins Rennen gehen wird. Cristiani und mit ihm der „goldene Ring“ aus Finanz- und Handelskapital waren gerade aus der politischen Versenkung zurückgekehrt und hatten die Führung in der Regierungspartei übernommen. Alle gingen davon aus, daß Cristiani noch einmal Präsident werden will oder daß er einen seiner Strohmänner plazieren wollte.

Im Februar jedoch kündigte Flores öffentlich sein Interesse an einer Kandidatur an. In der Arena- Geschichte hatte es so etwas noch nicht gegeben. Kandidaten waren stets in der Parteiführung ausgemauschelt und dann ohne Gegenvorschlag dem Fußvolk präsentiert worden. Cristiani mußte die Kröte entweder schlucken oder öffentlich machen, daß es in der Arena- Spitze Streit um den Führungsanspruch gibt. Denn Flores ist kein Mann Cristianis. Zu seinen engsten Beratern gehören Tomas und Milena Calderon, Geschwister von Präsident Armando Calderon. Beide haben eine dunkle Vergangenheit im Umfeld der Todesschwadronen, beide vertreten die eher feudalistischen Interessen der Kaffeebarone. Zudem ist Francisco Flores Sohn eines der schärfsten Cristiani-Kritiker. Vater Ulises Flores hat dem Ex-Präsidenten vorgeworfen, er habe sich bei der Bankenprivatisierung bereichert.

Trotzdem akzeptierte Cristiani die Kandidatur von Flores. Der wurde von seinen Beratern als genau der Mann präsentiert, den Arena nach der verlorenen Parlamentswahl vom März vergangenen Jahres braucht: Er ist 38 Jahre jung und nicht von der Bürgerkriegsvergangenheit des Landes belastet. Die meiste Zeit des Konflikts soll er in den USA verbracht haben. Er habe dort – unter anderem in Harvard — Politologie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften und Philosophie studiert und in letzterem Fach einen Magister-Titel erworben, behauptet er. Außerdem sei er Dozent an der Universität Hartford in Connecticut gewesen. Ein so umfassend gebildeter Mann, der zudem als ausgleichend gilt, kann auch in der politischen Mitte Stimmen gewinnen.

Näher betrachtet ist Flores jedoch ein Hochstapler. An der Universität Hartford erinnert sich niemand an ihn. Und der einzige nachweisbare akademische Titel stammt von einer dubiosen „World University“ aus Ojai in Kalifornien. Dort kann man Astrologie, Tibetische Meditation oder Transpersonale Psychologie studieren. Die Bildungsanstalt ist von den Lehren des indischen Gurus Sai Baba beeinflußt, der sich für eine Wiedergeburt von Jesus ausgibt. Flores hat bereits öffentlich bekannt, daß er Anhänger von Sai Baba ist. Toni Keppeler