Steuergeschenke aus Tokio

Japans Regierungspartei redet schon vom achten Stimulierungspaket. Jetzt werden Steuerkürzungen für Unternehmen und Privatleute erwogen – die einst mächtigen Finanzbeamten lassen die Politiker vorpreschen  ■ Aus Tokio André Kunz

Es ist noch nicht lange her, da galt eine wirtschaftspolitische Ankündigung aus Tokio als das Resultat langfristiger Überlegungen und Diskussionen. Diese Regel ist seit einiger Zeit offenkundig außer Kraft gesetzt. Kaum hat die regierende liberaldemokratische Partei (LPD) ein Stimulierungspaket über 216 Milliarden Mark verkündet, konzentriert sich die Diskussion bereits auf das nächste und achte Konjunkturpaket. Steuersenkungen im Rahmen von 4 Billionen Yen (56,5 Milliarden Mark) für das nächste Jahr wollen die Parteibosse nun bis Mitte Mai durchboxen. Noch kurz vor dem Achtertreffen, der G7 und der Rußland- Gruppe, soll der Beschluß fallen.

Premier Hashimoto hat offenkundig keine Lust mehr, als Prügelknabe unter den Industrienationen herhalten zu müssen. Seit Wochen wird Japan von seinen Handelspartnern aus den USA und Europa kritisiert, zuwenig zur Konjunkturankurbelung zu tun. Jetzt kommen die Vorschläge Schlag auf Schlag und in Höhe von mehreren hundert Milliarden Mark. Das Stimulierungspaket über 216 Milliarden Mark vom vergangenen Donnerstag – immerhin das historisch größte Ankurbelungsprogramm – wurde weit herum scharf kritisiert. Die regierende LDP sah sich gezwungen, eine neue Kehrtwendung in ihrer Wirtschaftspolitik innerhalb von zwei Tagen zu vollziehen und findet nun Steuersenkungen ein probates Mittel, um die Wirtschaft vor einer Verschärfung der ersten Rezession seit 25 Jahren zu bewahren. Die Steuersenkung soll Unternehmen und Privathaushalten zugute kommen. Die Regierungspartei hofft den Privatkonsum anzuheizen, der nach einer Konsumsteuererhöhung im April 1997 zum Erliegen kam. Die Unternehmenssteuer soll schrittweise von heute 52 Prozent auf ein „international übliches Niveau“ gesenkt werden, womit in Japan etwa 40 Prozent gemeint sind. Noch muß aber die Regierung ein Gesetz aufheben, das der öffentlichen Hand vorschreibt, das Budgetdefizit bis zum Jahre 2004 unter 3 Prozent des Bruttosozialprodukts zu senken. Gegenwärtig beläuft sich das Defizit auf 5,9 Prozent.

Hinter der neuen Initiative steckt der Expremierminister Kiichi Miyazawa, der unter den LDP- Senioren als Finanzfachmann gilt. Der jüngste Vorschlag ist ein weiteres Indiz, daß die traditionell gesetzgebenden Bürokraten vom Finanzministerium wegen Skandalen leisetreten und den Politikern das Heft überlassen haben. Das ist auch der Grund für die überstürzte Neuankündigung, denn noch weiß kein Mensch in Tokio, wie denn eigentlich die 216 Milliarden Mark vom Donnerstag tatsächlich ausgegeben werden sollen.