Monika Haas ermittelt in eigener Sache

■ Nach zwei Jahren Prozeß um die „Landshut“-Entführung dreht Monika Haas den Spieß um. Haas beschuldigt das BKA, sie in Lebensgefahr gebracht zu haben. Rivalisierende Palästinenser

Frankfurt/Main (taz) – Fast eine Stunde lang verlas Monika Haas gestern im Sicherheitssaal des Frankfurter Oberlandesgerichts eine Prozeßerklärung. Das Papier enthält schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden: Das Bundeskriminalamt habe sie – um einen eigenen Informanten zu schützen – mehrfach in Lebensgefahr gebracht. Haas' Bericht beleuchtet die Entführung der Lufthansa-Passagiermaschine am 13. Oktober 1977.

Das Flugzeug war nach mehrtägiger Irrfahrt auf dem somalischen Flughafen Mogadischu gelandet. Ein deutsch-englisches Sondereinsatzkommando befreite damals die Geiseln und erschoß drei der vier Entführer. Haas wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, sie habe die Waffen für die Täter, ein Kommando der Palästinensischen Befreiungsfront PFLP, von Algier nach Palma de Mallorca geschmuggelt.

Eine Schlüsselrolle in dem Verfahren spielt die Stasi. In den Unterlagen des DDR-Geheimdienstes war Haas nicht nur der Waffenlieferung verdächtigt worden, sondern auch, eine Verräterin zu sein. Die Stasi unterstützte seinerzeit eine andere Palästinensische Befreiungsarmee, die PLO, eine mit der PFLP konkurrierende Gruppe. Monika Haas hatte die Vorwürfe des Waffenschmuggels, die ein Nachrichtenmagazin unter Berufung auf die Stasi erhoben hatte, immer heftig bestritten. Haas vermutete bereits damals eine Geheimdienstintrige der Stasi, die ihr und ihrem Mann, einem hohen jemenitischen Offizier der PFLP, habe schaden sollen.

Nachdem Haas nach zweijähriger Untersuchungshaft im vergangenen Jahr überraschend freigelassen worden war, drehte sie den Spieß um. Sie erhebt nun schwere Vorwürfe gegen das Bundeskriminalamt. Die Behörde habe möglicherweise die durch die Stasi-Intrige entstandenen Gerüchte gegen sie benutzt, um den wirklichen Zulieferer westlicher Geheimdienste im Jemen zu decken. Die unfreiwillige Kooperation von Stasi und BKA habe den Verdacht gegen sie „fokussiert“ und sie mehrmals in Lebensgefahr gebracht.

Noch 1981, so ein Gesprächsprotokoll zwischen dem DDR- Oberst Harry Dahl und dem Sicherheitschef der PLO, bestanden Pläne, „daß die Haas durch einen Autounfall liquidiert wird“. In der für sie so bedrohlichen Situation habe das Kriminalamt auch noch versucht, sie mit anonymen Drohungen zur Mitarbeit zu erpressen. Die deutschen Behörden hätten alle sie entlastenden Ermittlungsergebnisse vertuscht oder verschwinden lassen. Außerdem sei 1993 von deutschen Beamten versucht worden, einem Freund ihres Mannes, dem Waffenhändler Monzer Al Kasser, eine Falschaussage abzupressen: Al Kasser habe Haas bei dem Waffenschmuggel begleitet. Dies Protokoll sei erst wieder vernichtet worden, als der Zeuge wider Willen darauf hinwies, daß er zu diesem Zeitpunkt in London in Untersuchungshaft gesessen habe.

Ein neu von der Bundesanwaltschaft eingebrachter „Begleiter“ sitzt inzwischen im Libanon im Gefängnis. Haas' Verteidigung hat Anhaltspunkte dafür gesammelt, daß dieser Mann früher einmal mit der Hauptbelastungszeugin und einzigen überlebenden Flugzeugentfüherin Suhaila Andrawes verlobt gewesen ist. Haas: „Das ist sauber recherchiert.“ Sie habe nicht „das Bedürfnis, mich hier mit wilden Phantasien lächerlich zu machen“. Heide Platen