Für das Opfer mehr als „eine große Genugtuung“

■ Jan Philipp Reemtsma freut sich, daß der Entführerboß nach zwei Jahren gefaßt werden konnte

Berlin (taz) – Jan Philipp Reemtsma wollte am Abend des 25. März 1996 noch ein wenig lesen. Er machte sich deshalb auf den Weg von seinem Wohnhaus in seine Bibliothek – und wurde auf dem Weg dorthin von maskierten Männern überwältigt und verschleppt. 33 Tage befand sich der Mann in der Gewalt seiner Kidnapper.

Der Mann, der mit einem Millionenerbe 1984 das Hamburger Institut für Sozialforschung ins Leben rief und als Philologe, Essayist, Buchautor und Förderer von aufklärungshungrigen Projekten ein brillantes Renommee genießt, wurde nach Zahlung von 30 Millionen Mark Lösegeld am 26. April freigelassen. Höhnisch die Worte, die Reemtsma vom mutmaßlichen Boß der Bande, Thomas Drach, noch nachgerufen bekam: „Sie hatten doch die De-Luxe-Version.“

Spektakulär war schon die Tat selbst – bemerkenswerter hingegen die Aufarbeitung des Verbrechens durch Reemtsma selbst: In dem Buch „Im Keller“ schildert er die erniedrigenden Tage der Verschleppung – 33 Tage ohne zu wissen, wie es seiner Familie geht und ob er selbst mit dem Leben davonkommt. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung ließ Reemtsma keinen Zweifel daran, daß er mit Milde und Verzeihung seinen Entführern nicht begegnen werde: „Ich möchte denen gerne in die Augen sehen.“ Und grundsätzlicher sagte er: „Ich finde, daß Verbrechen dieser Art hart bestraft gehören. Darüber hinaus bringt eine Bestrafung wieder etwas ins Lot.“ Zur Charakteristik der Täter gehörten für ihn „hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bei extrem reduziertem Gefühl für Gut und Böse“.

Der publicityscheue Hamburger Wissenschaftler geht seit seiner Verschleppung nicht mehr ohne Bodyguards an die Öffentlichkeit. Zwei der vermuteten drei Entführer wurden schon kurz nach der Tat gefaßt. Reue zeigten sie beim Prozeß sichtbar keine. Peter Richter und Wolfgang Koszcis, die alle Schuld auf Thomas Drach schoben, wurden im vorigen Jahr zu Haftstrafen von fünf und zehneinhalb Jahren verurteilt.

Lapidar kommentierte Jan Philipp Reemtsma gestern in Hamburg die Festnahme Drachs: „Ich freue mich sehr, beglückwünsche die Polizei zu ihrem Erfolg.“ JaF