Der Teufel schlief wie ein Engel

Thomas Drach, Drahtzieher der Entführung Jan Philipp Reemtsmas, in Argentinien verhaftet. Das BKA gab der argentinischen Polizei den Tip: Sucht ihn beim Rolling-Stones-Konzert!  ■ Von Ingo Malcher

Berlin/Buenos Aires (taz) – Um halb zwei in der Nacht zum Sonntag schlug die argentinische Polizei zu. Beamte eines neunköpfigen Spezialkommandos öffneten per Zweitschlüssel die Tür des Zimmer 801 des Hotels Cesar Park in Buenos Aires und überraschten Thomas Drach im Schlaf. Der 37jährige gilt als Drahtzieher der Entführung des Hamburger Sozialwissenschaftlers und Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma.

Die Polizisten warteten mit ihrer Verhaftung, bis Drach eingeschlafen war. „Als er die Pistole an der Schläfe hatte, war er wie ein kleines Engelchen. Gewehrt hat er sich nicht“, berichtet der Chef der Aktion, Polizeioffizier Eduardo Musto. Zuerst versuchte Drach den Beamten weiszumachen, daß er überhaupt nicht der Gesuchte sei. „Er hat ausgezeichnet Englisch gesprochen und einen britischen Paß auf den Namen Anthony Lawer gezeigt“, so Musto.

Drach wurde von Zielfahndern des BKA aufgespürt. Dessen Beamte waren ihm schon länger auf der Spur und hatten schließlich der argentinischen Polizei jenen Tip gegeben, der zur Festnahme von Drach führte. Der fieberhaft gesuchte Kidnapper hat sich äußerlich verändert. Seit der Entführung Reemtsmas hat er sich einen Bart wachsen und die Haare kürzer schneiden lassen.

Eigentlich sollte Drach beim Rolling-Stones-Konzert im River Plate Stadion geschnappt werden. Ein Trupp von 50 Polizisten stand schon bereit, doch Drach tauchte nicht auf. Wenig später spürten sie ihn nach einem abgehörten Handy-Gespräch in die Niederlande aus dessen Hotel auf.

Gestern wurde Drach einem Richter in Buenos Aires vorgeführt, der Haftbefehl gegen ihn erlassen hat. Danach kann die Bundesrepublik innerhalb von 30 Tagen einen Auslieferungsantrag stellen. Im Bundesjustizministerium geht man davon aus, daß das Auslieferungsverfahren „eher eine Sache von ein paar Monaten“ sei. Zwar gibt es zwischen der Bundesrepublik und Argentinien kein entsprechendes Abkommen, allerdings funktioniere der Rechtshilfeverkehr mit dem lateinamerikanischen Staat problemlos.

Drach ist nach Angaben der argentinischen Polizei vor seinem Abstecher nach Buenos Aires um die ganze Welt gejettet. In seinem falschen britischen Paß befinden sich Stempel aus den USA, Brasilien, Kuba, Mexiko, Uruguay, Bulgarien und Ungarn. Zu dem Zwischenstopp in Buenos Aires hat er sich offensichtlich nur wegen des Konzerts der Rolling Stones am vorigen Wochenende entschieden.

Zusammen mit einer Frau aus dem Nachbarstaat Uruguay reiste er zum Stones-Weekend auf die andere Seite des Rio de la Plata. Mit einem neuen Mercedes Coupé sollen beide vor dem Hotel vorgefahren sein, danach wollten beide nach Mexiko weiterfliegen. Das Hotel liegt in Recoletta, dem nobelsten Viertel von Buenos Aires. Auf dem Friedhof des Stadtteils liegt die argentinische Nationalheilige Evita Perón.

Drachs Absteige zählt zu den teuersten Häusern der Stadt. Viele Geschäftsreisende aus Europa und den USA verkehren in der Herberge. Drach mietete für sich und seine Begleiterin die Executive Suite und ließ sich dies knapp 800 Mark für die Nacht kosten. Drach selbst soll bis zu seiner Festnahme üppig vom Lösegeld gelebt haben.