Dream Team mit Innenstadtanschluß

Die neuen Bezirke (Folge 8): Mit Pankow-Weißensee-Prenzlauer Berg entsteht ein Bezirk zwischen Bernau und dem Alexanderplatz. Viel gemeinsam haben die grünen Vorstädte nicht mit dem quirligen Szenebezirk  ■ Von Sabine am Orde

Inge Guzmann mag ihr Büro. „Ich glaube schon, daß man damit mehr Bürgernähe schaffen kann“, sagt sie und lächelt freundlich. Das gehört zu ihrem Job. Denn Guzmann arbeitet im ersten Berliner Bürgerbüro, ein kleines, helles Großraumbüro im Kulturhaus „Peter Edel“ an der Berliner Allee, der Hauptstraße des Bezirks Weißensee. Dort wird seit fünf Jahren ein Aspekt der Verwaltungsmodernisierung erprobt: wie man BürgerInnen schnell, freundlich und – soweit möglich – aus einer Hand bedient.

In dem neuen Bezirk, meint Weißensees Bürgermeister Gert Schilling (SPD), brauche man insgesamt fünf dieser Büros, „zwei in Pankow und eins im Prenzlauer Berg“. Weißensee sei mit dem zweiten, das im August in Karow eröffnet wird, gut bestückt. Doch wenn Pankow, Weißensee und Prenzlauer Berg zu einem Bezirk verschmelzen und es nur noch ein Rathaus geben wird, will Schilling für die Bürgerbüros mehr Kompetenzen. Denn dann müssen sie die Versorgung vor Ort sichen. „Wir brauchen Standleitungen für die Daten zu den Rathäusern“, sagt der Bürgermeister, „so daß Sozialhilfeanträge im Bürgerbüro nicht nur abgeholt, sondern auch bearbeitet werden können.“ Doch wie das genau aussehen und finanziert werden soll, weiß auch der Bürgermeister nicht.

„Wer braucht das Rathaus schon“, fragt sein Kollege aus Prenzlauer Berg, Reinhard Kraetzer (SPD), und lacht. „Die Bibliotheken bleiben, wo sie sind, und die Sozialämter auch.“ Heiraten werde vielleicht schwieriger, wenn es künftig nur ein Standesamt gibt, „aber so oft heiratet man ja nicht“.

Einhellig meinen die beiden Sozialdemokraten, daß es weniger die Bürger als die Bürgermeister und Stadträte künftig schwerer haben. Denn sowohl Bevölkerung als auch Verwaltung sind größer und weiter weg. Und: Die Probleme in den Bezirken löse man mit der Zusammenlegung nicht.

Die sind freilich recht unterschiedlich in dem neuen Dreierpack, das von kurz vor Bernau bis knapp vor dem Alexanderplatz reichen wird und zum Teil schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln ausgestattet ist: Weißensee hat weder U- noch S-Bahn-Anschluß, auch an den Rand Pankows kommt man vielerorts nur mit dem Bus.

Ein Dream Team scheint dagegen Pankow und Weißensee zu sein. Im Nordosten weiß man: Das paßt. Die beiden Bezirke, wo die Dörfer Karow, Blankenburg und Heinersdorf 1985 bereits von Pankow nach Weißensee wechselten, haben viel gemein, sieht man von der Größe einmal ab: Beide liegen am Stadtrand, beide sind grün und für Berliner Verhältnisse dünn besiedelt, beide haben steigende Bevölkerungszahlen und Neubaugebiete an in ihrem Rand: In Buchholz-West (Pankow) entstehen Wohnungen für 7.500, in Karow- Nord (Weißensee) sogar für 15.000 Menschen.

In dem dichtbesiedelten, quirligen Innenstadtbezirk Prenzlauer Berg sieht es anders aus: Dort dominieren sanierungsbedürftige Altbauten, die Fluktuation der Bevölkerung ist hoch, Schulen und Kitas machen dicht, weil Mittelstandsfamilien wegziehen – unter anderem ins Grüne nach Pankow und Weißensee, denn das gibt es in Prenzlauer Berg kaum. „Das einzige Problem, das durch die Bezirksreform gelöst wird“, sagt Bezirksbürgermeister Kraetzer, „ist rechnerisch das Grünflächendefizit des Prenzlauer Bergs.“

Doch auch bei der Sozialstruktur schneidet Prenzlauer Berg schlechter ab: Bei den Arbeitslosen und den Sozialhilfeempfängern liegt er vor, beim Sozialindex und dem Durchschnittseinkommen hinter seinen zukünftigen Partnern (siehe Kasten). „Untergejubelt“ habe man ihnen den Innenstadtbezirk, meint nicht nur Helmut Hampel, Fraktionschef der Pankower SPD. Nicht nur er hätte lieber Hohenschönhausen im Boot gehabt. Hampel vermutet, daß ohne zusätzliche finanzielle Mittel „künftig das in den Prenzlauer Berg gebuttert wird, was wir sonst behalten könnten. Aber was passiert dann mit unseren Problemen?“ Hampel befürchtet zudem, bald „mit Dingen konfrontiert zu sein, die es hier noch nicht gibt“, und meint wohl auch die Walpurgisnacht und den 1. Mai damit. In Prenzlauer Berg befürchtet man im Gegenzug, daß es der dortigen Jugend- und Kulturarbeit an den Kragen geht. „Trotz der angespannten Haushaltsituation haben wir die freien Träger aufgestockt“, sagt Klaus Lederer von der PDS. „Ob sich das dann halten läßt?“

Doch etwas haben die drei Bezirke trotz allem gemein: Sie haben sozialdemokratische Bürgermeister. Einen „SPD-Erbhof“, in dem der Parlamantarische Geschäftsführer der SPD-Landesfraktion, Hans-Peter Seitz, der in Pankow wohnt, die Fäden zieht, sieht Thomas Kreutzer entstehen, Vorsitzender der wohl aktivsten Pankower Bürgerinitiative Nordostraum. Doch leicht werden es die Sozialdemokraten nicht haben: Stärkste Fraktion ist die SPD nur im kleinen Weißensee, in den beiden anderen Bezirken liegt die PDS vorn. Nach dem Wahlergebnis von 1995 wäre sie der SPD um mehr als fünf Prozent voraus.

Kraetzer ist froh, daß der Zusammenschluß mit dem Wedding an ihm vorüber gegangen ist. Das liegt nicht nur an den sozialen Problemen dort, sondern auch der starken Weddinger SPD, die die Ostgenossen vermutlich einfach geschluckt hätte. In der aktuellen Konstellation fühlt man sich eher unter Gleichen. „Wir Sozialdemokraten im Osten haben diesselbe Herkunft und machen pragmatisch Politik“, sagt auch der Weißenseer Bürgermeister.

Der Zusammenschluß könnte PDS und Bündnisgrünen schwerer fallen. Bei den Bündnisgrünen könnte ein neuer Ost-West-Konflikt aufflackern. Denn der Prenzlauer Berg ist „kein Ostbezirk mehr“, wie Almuth Tharan, dortige Vorstandsfrau, sagt. Die Weißenseer PDS sieht sich, so Gernot Klemm, der für die PDS im Abgeordnetenhaus sitzt, als Mittler zwischen der „alternativ geltenden PDS im Prenzlauer Berg“ und den GenossInnen in Pankow. Doch bei dem Mittler rebellierte die Basis gegen die Kandidatur des ehemaligen HBV-Vorsitzenden Manfred Müller für den Bundestag, weil dieser die Urteile gegen das Politbüro begrüßt und das Grenzregime als Unrecht bezeichnet hatte. „Die Zusammenlegung könnte mehr Kraft kosten“, befürchtet Thomas Fritsche von der Pankower PDS, „als man für interne Probleme aufwenden soll.“