Mürmeldierdög in Läbzisch (1) Von Carola Rönneburg

Im vergangenen Jahr berichtete ich an dieser Stelle von meinem Aufenthalt in einer Leipziger Privatunterkunft während der Leipziger Buchmesse. Gegenstände dieser Abhandlung waren eine bulgarische Glassammlung, die erfolglosen Verhandlungen mit der geschäftstüchtigen Zimmerwirtin über humane Frühstückszeiten sowie das zähe Ringen um ein angemessen großes Handtuch. Aus Platzgründen mußte ich damals darauf verzichten, einen weiteren Schicksalsschlag zu schildern: In jenen Tagen brachte ich nämlich ein Kollegenpaar um seine Teilnahme an einer Abendgesellschaft, die ursprünglich zu acht bestritten werden sollte. Am vereinbarten Treffpunkt lauerten jedoch auch zwei Nachwuchsnervensägen, die sich uns offensichtlich anschließen und den Abend verderben wollten. In einem unbeobachteten Moment gab ich daher das Signal zur gemeinsamen Flucht – während der Hatz durch die Leipziger Altstadt gingen dann aber leider zwei von uns verloren.

Verständlicherweise sollte also in diesem Jahr alles besser werden. Wegen der Unterbringung machte ich mir keine Sorgen – eine vor mir angereiste Kollegin hatte bereits berichtet, die Adresse sei verkehrsgünstig gelegen und die Herbergsmutter sehr umgänglich. Frau Schwab bäte nur darum, nachts die Zimmertür zu verriegeln, da ihre verwirrte alte Mutter zu Besuch sei, die manchmal schlafwandle und dann nicht immer in das eigene Bett zurückfände. Von der Kollegin mit einem Schlüssel ausgestattet, machte ich mich in den Leipziger Stadtteil Gohlis auf, um mein Gepäck in der Wohnung abzustellen. Die Gegend kam mir bekannt vor: In einem dieser zahlreichen Siedlungsbauten hatte ich auch schon im letzten Jahr übernachtet. Ein Passant wies mir den Weg, und schon bald war ich in der Strelitzer Straße 15 angelangt. Als ich die Tür aufschloß, hatte ich ein kleines Déjà vu, denn am Ende eines solchen schmalen Flures war ich einst auf die wohl umfangreichste bulgarische Glassammlung westlich der Struma gestoßen. Was würde mich diesmal erwarten?

Leider die bulgarische Glassammlung: Ich befand mich in exakt demselben Quartier wie vor einem Jahr. Der violette Lüster hing noch immer wie ein Damoklesschwert über dem Bett; auf dem Nachttisch lagen zwei topflappengroße Handtücher; an der grüngemusterten Wand klebte wieder das Rauchverbotsschild.

Für einen Moment geriet ich ganz durcheinander. War etwa Murmeltiertag in Leipzig? Erlebte ich ein und denselben Tag in einer Endlosschlaufe, so wie Bill Murray in „Groundhog Day“? Zur Sicherheit wühlte ich in meinem Koffer nach meinem großen Badelaken, das ich dann ja schmerzlich vermissen würde. Puuh – es war noch da. Und auf das Frühstück zu Unzeiten würde ich eben erneut verzichten – ein langer Abend stand bevor, auf den eine ordentliche Nachtruhe folgen mußte.

Am nächsten Morgen weckte mich die schrille Stimme meiner Gastgeberin. Offenbar telefonierte sie direkt vor meiner Zimmertür. „So geht das doch nicht!“ hörte ich sie jammern. Ich streckte mich und sah auf die Uhr. Es war viertel nach zehn, und Frau Schwab gab soeben eine wichtige Information an meinen Arbeitgeber weiter: „Ihre Mitarbeiterin schläft immer noch!“

Fortsetzung folgt