Rumänien steht ohne Regierung da

Nach Differenzen zwischen Anti- und Exkommunisten tritt Ministerpräsident Ciorbea zurück, weil er auch in der eigenen Koalition die Unterstützung verloren hat. Jetzt wird ein neues Reformkabinett gesucht  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

Nach fünfzehn Monaten Amtszeit ist der rumänische Ministerpräsident Victor Ciorbea am Montag abend zurückgetreten. Ciorbea gab seinen Rücktritt in einer Rede bekannt, die vom rumänischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde. Nur Minuten später trat auch Staatspräsident Emil Constantinescu vor die Kamera. Er ernannte den derzeitigen Innenminister Gavril Dejeu zum Interimsregierungschef und kündigte die Ernennung eines neuen Premiers für Donnerstag an.

Hintergrund des Rücktrittes von Ciorbea sind Differenzen in der christdemokratisch-liberal-sozialdemokratischen Koalition. Vor allem zwischen der antikommunistischen Christdemokratischen Bauernpartei, der auch Ciorbea angehört, und der Demokratischen Partei, deren Führungsschicht die reformorientierten Technokraten und Funktionäre aus der kommunistischen Zeit bilden, kam es immer wieder zu Konflikten. So ging den Demokraten das Ausmaß, in dem einstmals enteignete Immobilien und Grund und Boden an frühere Eigentümer zurückgegeben werden sollen, zu weit. Zusammen mit den Liberalen versuchten sie auch, eine Bevorzugung einheimischer Investitionen und Investoren durchzusetzen, während die Bauernpartei eine Gleichstellung in- und ausländischer Investoren verlangt.

Der Anfang vom Ende der Regierung Ciorbea waren wiederholte polemische Äußerungen von Politikern der Demokratischen Partei, des zweitgrößten Koalitionspartners, über die Person und den Führungsstil des Ministerpräsidenten Ende letzten Jahres. Mitte Januar verließ die Demokratische Partei die Koalition auf Abruf und machte ihre weitere Teilnahme von einem neuen Ministerpräsidenten abhängig. Alle Versuche, die Regierung zu retten, scheiterten.

Zwar hatte es die Ciorbea-Regierung in den letzten Monaten geschafft, einige Reformprojekte durchzuführen und den Widerstand der Gewerkschaften gegen Reformpläne zurückzuweisen. Dennoch konnte sie die wichtigen Reformvorhaben wie die Verabschiedung eines Sparhaushaltes nicht durchsetzen. Letzte Woche hatten sich deshalb auch die Liberalen und die Vertreter der ungarischen Minderheit für den Rücktritt Ciorbeas ausgesprochen.

In seiner Rücktrittsrede sagte Ciorbea, er habe versucht, ein ehrlicher und korrekter Ministerpräsident zu sein. Bitter äußerte er sich über das Postengerangel und die Wirtschaftskriminalität. Daran seien auch viele Politiker aus der Koalition beteiligt. Einen Beweis dafür gab es ausgerechnet gestern: Die Demokratische Partei erhielt endlich den langersehnten Direktorenposten der größten rumänischen Handelsbank (Bancorex), an deren undurchsichtigen Geschäften sie in der Vergangenheit beteiligt gewesen sein soll.

Staatspräsident Constantinescu nahm den Rücktritt Ciorbeas gestern an, ohne ihm für seine Arbeit zu danken – Anzeichen dafür, daß sich das Verhältnis zwischen ihm und den Christdemokraten deutlich verschlechtert hat. Alle Regierungsparteien begrüßten den Rücktritt Ciorbeas als Möglichkeit, eine neue Reformregierung zu bilden. Noch ist allerdings völlig unklar, ob dies eine neue Koalition oder ein Kabinett mit bekannten Persönlichkeiten und Technokraten sein wird. Kommentar Seite 12