Kult in Killernieten und Nappa

■ Bei Judas Priest, die es mit neuem Sänger noch mal versuchen, ist nicht klar, wo die Legende beginnt und die Band endet

Kein Heavy Metal ohne Judas Priest. Egal, wo und wann man ansetzt, dieses Phänomen zu erfassen, stellt sich einem die Legende aus Birmingham in den Weg und sagt: „An mir kommst du nicht vorbei, Kleiner!“Das stimmt. Kaum ein anderes Genre-As lebt den Kult um Killernieten, fetten Rock und den hemmungslosen Einsatz von glänzendem Nappa auf nackter Haut wie die Band mit dem blasphemischen Namen. Und das seit über 20 Jahren. Damals, als sie die NWOB HM, die New Wave Of British Heavy Metal, weltweit als Musikmodell konstituierten, waren Judas Priest ganz vorn dabei. Alben wie Killing Machine, British Steel oder Screaming For Vengeance schrieben ihre ganz eigene Rockgeschichte. Ein Paralleluniversum aus Pop, Eskapismus pur – alles wahr und als Vorwurf berechtigt. Doch Metalbands wie Judas Priest wußten um ihre polarisierenden, manchmal recht lächerlichen Züge. Dennoch war für sie die Vorstellung, morgens arbeiten und abends rocken zu gehen, angenehmer als die Vollzeit-Verweigerung des Punk. Das gilt für Judas Priest auch 1998, und weiterhin wird jede Frage mit „Metal“beantwortet.

Doch selbst szene-intern funktioniert die Welt der headbangenden Briten etwas anders: Judas Priest kommen darin so gut wie ohne Frauen aus. Mögen die unsäglichen Manowar die Geschlechterfrage als anrüchige Zote begreifen, Judas Priest haben seit Anbeginn auf ein globales Lebensgefühl hingearbeitet. Das mag auch daran gelegen haben, daß mit Rob Halford ein Mann für Image und Textwerk verantwortlich zeichnete, der seine offen ausgelebte Homosexualität mit einer überzeichneten Biker-Romantik paarte. Daß die Metalwelt die Falsett-Furie Halford anstandslos akzeptierte, ist im Nachhinein ebenso bemerkenswert wie die Grölereien des schwulen Village-People-Hits „Go West!“in Fußballstadien.

Aber Rob Halford ist schon seit sieben Jahren nicht mehr bei Judas Priest. Metal sei tot, so sein lakonisches Urteil. Doch Judas Priest haben sich nach langer Trauer durchgerungen, noch einmal alles zu wagen. Mit Ripper Owens steht nun ein Jungspund am Mikro, der glaubt, mit Lederoverall und reifen Männern im Nacken die Zeit anhalten zu können. Ein schwieriges Unterfangen, denn bislang konnte noch nicht geklärt werden, wo die Legende beginnt und die Band endet. Oliver Rohlf Do, 2. April, 21 Uhr, Docks