■ Kolumne
: Diese Scheibe ist ein Hit

Guildo Horn und Stefan Raab mögen nicht gerade die sympathischsten Zeitgenossen unter der Sonne sein. Ich will auch gar nicht meine Schadenfreude leugnen, als Raab von dem (allerdings genauso doofen) Rap-Produzenten Moses P. was auf die Mütze bekam. Dennoch: Würde ich je dazu aufgefordert, den Fragebogen des FAZ-Magazins auszufüllen, müßte ich auf die Frage „Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?“antworten: „Den Sieg von Horn und Raab bei der Grand-Prix-Vorausscheidung.“

Dabei habe ich Ambivalenz immer schwach gefunden, gerade bei den Spaßmachern gefordert, sie mögen eine eindeutige Haltung gegenüber den Objekten ihrer Scherze zeigen. Nie habe ich denen unter ihnen geglaubt, die mir erzählen wollten, sie liebten die Sache, über die sie sich lustig machen. Denn dem, worüber man sich lustig macht, fügt man Schaden zu, und niemand will dem Schaden zufügen, was er liebt.

Schlager-Parodien gehören seit eh und je zu den beliebtesten, weil leichtesten Programmpunkten bundesdeutscher Witzbolde. Allerdings war sie klar als solche gekennzeichnet und spielte deshalb auch dann in einer anderen Liga, wenn Parodist und Parodierte sich eine Bühne teilten. So konnte auch der treueste Schlager-Fan über Karl Dalls „Diese Scheibe ist ein Hit“o.ä. herzlich lachen und in der nächsten Minute wieder sentimental dahinschmelzen zu „Über sieben Brücken mußt du gehen“oder fröhlich abfeiern zu „Theo, wir fahren nach Lodz“.

Horns Ambivalenz, seine Beteuerung, er meine es ernst, obwohl, wie meine Mutter sagen würde, ein Blinder mit Krückstock merken mußte, daß dem nicht so ist, hob diese Trennung auf. So kam er der Idealform der Parodie denkbar nahe, nämlich der, die sich in nichts vom Original unterscheidet – nur im Wissen des Publikums, daß der da oben es unmöglich ernst meinen kann. Auf einmal wurde die Lächerlichkeit der Horden von Ralph-Siegel-Marionetten für jeden sichtbar. Eine strategische Meisterleistung, ein großer Sieg des ansonsten allerorten im Rückzug befindlichen abendländischen Skeptizismus'.

Ralph Siegel und Wolfgang Petry bemerkten instinktiv sofort, wie groß die Bedrohung ist und machten massiv Front gegen Horn. Ausgerechnet Hans R. Beierlein dagegen, jener Multi-Musikverleger, der den deutschen Schlager immer wieder gegen alle Anwürfe temperamentvoll zu verteidigen pflegte, forderte in der Musikwoche „mehrere Guildo Horns“, weil er meint, der Mann würde „die Herzen der Musikfreunde erreichen. Hähä.“Ich kann mir schon vorstellen, daß ihm die Plattenindustrie diesen Wunsch erfüllt. Und frage mich, wann die ersten etablierten Interpreten anfangen, auf Brusthaartoupet und Siebziger-Jahre-Kleidung umzurüsten.

Ich hoffe, Raab und die ihm gewogene Plattenindustrie brauchen noch eine Zeitlang, bis ihnen klar wird, was da passiert ist. Zumindest so lange, bis Raab auch noch, wie angekündigt, in der Welt der Volkstümlichen Musik eine Fünfte Kolonne plazieren kann. Danach wird es dann allerdings einiger radikalerer Geister bedürfen, um nach demselben Vorbild den Deutsch-Rock, den Kuschel-Rock, die TV-beworbenen Compilations, Celine Dion usw. zu killen. Und am Ende der Entwicklung wird Rocko Schamoni für die F.D.P. in den Bundestag einziehen.