Beschränkte Mehraufgaben für die Bezirke

■ Die Senatsverwaltungen sollen sich auf die ministeriellen Aufgaben konzentrieren. Doch die wollen kaum Einfluß abgeben. Parlament soll Ende Mai über Aufgabenteilung entscheiden

Die Bezirke sollen künftig eine Vielzahl von Aufgaben übernehmen, die bislang von den Senatsverwaltungen erfüllt wurden. Der 42 Punkte umfassende Aufgabenkatalog, den eine Koalitionsarbeitsgruppe ausgearbeitet hat, reicht von Marginalien wie dem „Hunde- und Katzenfang“ bis zur eigenständigen Aufstellung von lokalen Bebauungsplänen. Die Senatsverwaltungen sollen sich künftig auf die ministeriellen und gesamtstädtischen Aufgaben konzentrieren.

Zwar werden den Bezirken weitaus weniger Aufgaben übertragen, als die SPD-Bezirksbürgermeister gefordert hatten. Doch in CDU- und SPD-Fraktion gibt es Abgeordnete, denen die Dezentralisierung zu weit geht und die den Entwurf gern abschwächen würden. Bis zur geplanten Verabschiedung durch das Parlament am 28. Mai wird in den Ausschußberatungen noch um die Aufgabenverlagerung gerungen. Vor allem der Baubereich ist umstritten. Die Senatsverwaltungen wollen sich nur ungern von Aufgaben und Einfluß trennen. „Wenn die Wirtschaftsförderung, die Arbeitsförderung und die Grundstücksverwaltung an die Bezirke gingen, träfe das die Senatsverwaltungen ins Mark“, stellt der Hellersdorfer Bürgermeister Uwe Klett (PDS) fest.

Bei der Wirtschaftsförderung hieße das minimale Zugeständnis, daß die Bezirke nun ergänzend bezirkliche Wirtschaftsförderung betreiben dürfen – freilich ohne zusätzliche Mittel. Für ABM-Maßnahmen in bezirklicher Regie stellen zwar künftig die Bezirke die Anträge auf ABM-Stellen, die Bearbeitung der Anträge verbleibt aber bei der Senatsverwaltung für Arbeit. Die zuständige Abteilung umfaßt rund 135 Mitarbeiter. Wenn die Bearbeitung in die Bezirke verlagert würde, müßte die Abteilung auf 15 bis 20 Mitarbeiter schrumpfen.

Auch der Verkauf von Gewerbegrundstücken bleibt fest in der Hand der Senatsfinanzverwaltung. Laut Klett hätten andernfalls die Bezirke mehr Gestaltungsspielraum bei der Gewerbeansiedlung gehabt.

Insgesamt stößt der Koalitionsentwurf zur „Aufgabenabschichtung“ auch bei den Grünen auf Zustimmung. „Im Ansatz völlig richtig“, befindet der grüne Verwaltungsexperte Oliver Schruoffeneger. Positiv sei die weitgehende Abschaffung der Fachaufsicht der Hauptverwaltung über die Bezirke. Das im Gegenzug geschaffene Eingriffsrecht der Senatsverwaltungen müsse allerdings „kontrollierbar“ bleiben. Laut Koalitionsentwurf können die Senatsverwaltungen von dem Eingriffsrecht Gebrauch machen, wenn das Bezirksamt „dringende Gesamtinteressen Berlins oder Pflichten gegenüber dem Bund“ verletzt. Zuvor ist mit den Bezirken eine Verständigung zu suchen. In Fällen von grundsätzlicher oder politischer Bedeutung ist ein Senatsbeschluß herbeizuführen. Damit erhalten die Senatsverwaltungen künftig deutlich mehr Durchgriffsmöglichkeiten. Schruoffeneger schlägt vor, daß ein Eingriffsrecht abgewehrt werden kann, wenn der Rat der Bürgermeister mit Dreiviertelmehrheit Widerspruch einlegt.

Unklar ist noch, in welchem Umfang Personal und Sachmittel von den Hauptverwaltungen an die Bezirke gehen. „Ich rechne mit dem Schlimmsten“, sagt der Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz (Bündnisgrüne) und verweist auf ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit.

So müssen die Bezirke neuerdings wilden Bauschutt entsorgen, erhalten dafür aber weder Personal noch Sachmittel. Und so wurden sie ausgetrickst: Die Senatsbauverwaltung hatte die Aufgabe an die Senatsumweltverwaltung abgegeben, doch zuvor die Stellen gekürzt, um eigene Sparauflagen zu erfüllen. Die Umweltverwaltung reichte die Aufgabe an den Bezirk weiter – ohne Stellen. Auch für die Sanierung von Altlasten in den Bezirken sind bislang keine Sachmittel vorgesehen.

Zu den wichtigen Aufgaben, die den Bezirken übertragen werden sollen, gehört die Arbeit der Meldestellen, deren Verlagerun noch umstritten ist. Bürger könnten dann ihre Melde- und Ausweis- sowie Kraftfahrzeug- und Ausländerangelegenheiten in den Bürgerbüros erledigen.

Im Baubereich soll die Senatsverwaltung bei bezirklichen Baumaßnahmen künftig auf die Prüfung der Planungsunterlagen verzichten. Beim Bau von Straßenbahnlinien sollen die Bezirke selbst den Umbau von Straßen planen. Verlagert werden sollen auch die Bewährungshilfe für Erwachsene sowie die Jugendgerichtshilfe. Vorgesehen ist auch, daß Bezirke Aufgaben „regionalisieren“ können. So soll ein Bezirk für alle die Adoptionsvermittlung übernehmen. Im Umweltbereich erhalten die Bezirke u.a. die Zuständigkeit bei lokaler Boden- und Grundwasserverunreinigung, für Lärmbekämpfung auf Baustellen und für die Sicherheit von Sportbootsstegen. Dorothee Winden