■ UNO-Resolution 425: Israel will sich aus Südlibanon zurückziehen
: Netanjahus brillanter Schachzug

Keine Frage. Die offizielle Anerkennung der UN- Resolution 425 durch die israelische Regierung scheint ein brillanter Schachzug. Ministerpräsident Netanjahu kann sein angeschlagenes Image aufpolieren. Während er im israelisch-palästinensischen Prozeß bislang eher als Friedensverhinderer wahrgenommen wird, dürfte er sich nun als Friedensmacher feiern lassen. Das wird ihm vor allem innenpolitisch Pluspunkte einbringen, denn der Guerillakrieg im Südlibanon kostete Opfer um Opfer, deren Sinn nicht nur von den Müttern gefallener Soldaten, sondern selbst von Teilen der Armeeführung in Frage gestellt wurde. Längst hatte die israelische Armee erkannt, daß sie einen Guerillakrieg nicht gewinnen kann.

Zudem hat Netanjahu mit diesem taktischen Schritt den Ball ins arabische Lager geworfen. Jetzt geraten Syrien und Libanon unter Druck. Sie müssen unter Beweis stellen, daß ihre Forderung nach einem israelischen Abzug nicht nur Rhetorik war. Doch ob Netanjahus Taktik wirklich Erfolg bringt, ist fraglich. Denn mit der Forderung nach Sicherheitsgarantien gesteht Netanjahu Syrien praktisch ein Vetorecht gegen einen israelischen Abzug zu. Syrien und Libanon aber werden darauf verweisen, daß in der Resolution 425 nichts von Verhandlungen über Sicherheitsgarantien für die israelische Nordgrenze steht. Syrien wird Verhandlungen verweigern, solange nicht auch die Rückgabe der Golan-Höhen zur Disposition steht.

Die libanesische Front war und ist für Syrien das entscheidende militärische Druckmittel gegen Israel. Verhandlungen mögen politisch Sinn machen, einklagen nach internationalem Recht kann Israel sie nicht. Genau dies hatte schon bei der israelischen Opposition Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Absichten Netanjahus geweckt. Doch mit der Anerkennung der Resolution 425 ist Netanjahu weiter gegangen, als jede israelische Regierung vor ihm.

Die israelische Armee wird nicht morgen aus dem Südlibanon abziehen. Aber der israelische Konsens heute lautet, daß sie abziehen muß, und zwar je eher, desto besser. Und die Stimmen werden lauter, die einen Rückzug auch ohne Sicherheitsgarantien fordern. Am Ende könnte es deshalb sein, daß nicht Netanjahus spektakulärer Schritt, sondern Ariel Scharons Vorschlag der praktikablere ist, ein Rückzug in mehreren Stufen, ohne Verhandlungen, aber bei Einstellung aller Feindseligkeiten. Für Israel hätte dies den großen Vorteil, Syrien außen vor zu lassen und gar nicht erst über die Rückgabe der Golan-Höhen verhandeln zu müssen. Georg Baltissen