Hohe militärische Verluste, laute Proteste von Müttern gefallener Soldaten und sogar unverhohlene Zweifel von Teilen der Armee-Führung: Die Stationierung israelischer Soldaten im Süden des Libanons macht für die Sicherheit des Landes keinen

Hohe militärische Verluste, laute Proteste von Müttern gefallener Soldaten und sogar unverhohlene Zweifel von Teilen der Armee-Führung: Die Stationierung israelischer Soldaten im Süden des Libanons macht für die Sicherheit des Landes keinen Sinn mehr. Jetzt will Netanjahu raus

Rückzug aus dem libanesischen Sumpf

Spätestens seit Ende vergangenen Jahres hat sich in Israel die Erkenntnis durchgesetzt, daß der Guerillakrieg im Südlibanon nicht zu gewinnen ist. 39 Soldaten hat Israel 1997 in der sogenannten Sicherheitszone verloren, die meisten Toten seit 1985. Weitere 78 Soldaten verloren ihr Leben bei einem Zusammenstoß zweier Militärhubschrauber auf dem Weg in den Libanon. Besonders fatal war die mißlungene Operation einer Eliteeinheit der Marine im September 1997. Zwölf israelische Soldaten wurden getötet.

Die Debatte um das Für und Wider eines israelischen Abzugs aus dem Süden Libanons war erneut angeheizt. Nicht nur die Komitees von Müttern gefallener Soldaten, selbst Teile der Armeeführung, Oppositions- und Regierungspolitiker plädierten für einen Rückzug, viele sogar für einen einseitigen. Die Regierung Netanjahu geriet unter Druck.

Der Schutz der israelischen Siedlungen und Dörfer an der Nordgrenze vor Katjuscha-Angriffen und Hisbullah-Infiltrationen als Begründung für die fortdauernde Besetzung des Südlibanons verlor an Überzeugungskraft. Nur bei großen militärischen Auseinandersetzungen wie der israelischen Operation „Früchte des Zorns“ im April 1996 hat die Hisbullah Raketen auch auf israelische Siedlungen abgefeuert. Aber nie ist ein Hisbullah-Kämpfer über die Nordgrenze eingedrungen, um einen Anschlag innerhalb Israels zu verüben. Die Aufrechterhaltung eines stehenden Heeres im Südlibanon kostete zudem Milliarden Mark, die nach Ansicht vieler Militärexperten militärisch sinnvoller hätten ausgegeben werden können. Überdies trägt Israel bis heute auch die Kosten für seine Söldnertruppe, die Südlibanesische Armee (SLA), unter dem Kommando von Antoine Lahad. Für den Fall eines Rückzugs aus dem Südlibanon suchen israelische Politiker inzwischen für den libanesischen Kommandanten ein sicheres Exil.

Das Argument, Israel könne sowohl die Sicherheit seiner Grenze wie der Siedlungen besser und wirkungsvoller vom eigenen Land aus verteidigen, gewann damit an Gewicht. Psychologisch und politisch, so die Argumentation, würde zudem jeder Israeli einem wirkungsvollen Militärschlag gegen Libanon seine Zustimmung nicht verweigern, sollte die Hisbullah den Norden Israels angreifen.

Die UN-Resolution 425 ist die erste, die Israel seit dem Teilungsbeschluß der UNO im Jahre 1947 akzeptiert. Sie wurde im März 20 Jahre alt und geht zurück auf die Litani-Operation vom März 1978, als die israelische Armee PLO- Basen im Südlibanon zerstörte. Sie besagt im Kern, daß Israel sich bedingungslos aus dem Libanon zurückziehen muß (siehe Dokumentation). Der jetzige Beschluß der israelischen Regierung sieht indes vor, daß Israel Verhandlungen mit Libanon und/oder Syrien führt, um Sicherheitsgarantien für seine Nordgrenze zu erhalten. Israel fordert, daß die libanesische Armee die geräumten Gebiete übernimmt und gemeinsam mit der SLA kontrolliert. Hierzu soll die SLA in die libanesische Armee integriert werden. Sowohl Syrien wie Libanon haben solche Zusatzverhandlungen bisher abgelehnt.

Doch hat die israelische Regierung vorgebaut. Im vergangenen Monat reiste Verteidigungsminister Jitzhak Mordechai zu Gesprächen nach Frankreich und in die USA, um die israelischen Forderungen zu erläutern. Auch UN- Generalsekretär Kofi Annan betätigte sich auf seiner Nahostreise im vergangenen Monat als Briefträger. Es gilt als wahrscheinlich, daß sich Syrien und Libanon unter internationalem Druck Verhandlungen nicht werden entziehen können. Israel verlangt vor einem Rückzug auf jeden Fall eine Garantie für die Sicherheit seiner Nordgrenze. Die Blauhelme der Unifil alleine will Israel nicht akzeptieren. Doch ist der Einsatz ausländischer Truppen nach dem Debakel von 1983, als Hunderte französischer und amerikanischer Soldaten in Beirut in die Luft gesprengt wurden, nicht eben wahrscheinlich.

Die USA haben einen Truppeneinsatz bereits explizit ausgeschlossen. Syrien hat sich nur dann zu Verhandlungen mit Israel bereit erklärt, wenn die Verhandlungen über die Rückgabe der Golan- Höhen dort wieder aufgenommen werden, wo sie abgebrochen wurden. Die Regierung Rabin hatte Syrien im Austausch für einen Friedensvertrag die vollständige Räumung der Golan-Höhen in Aussicht gestellt. Um einer Verhandlung über den Golan vorzubeugen, hatte Infrastrukturminister Ariel Scharon vorgeschlagen, daß Israel sich einseitig und bedingungslos in mehreren Phasen aus dem Südlibanon zurückzieht. Sollten Verhandlungen nicht zustande kommen, könnte dieser Vorschlag erneut auf den Tisch kommen. Frühere Forderungen nach einem israelisch-libanesischen Friedensvertrag und einem gleichzeitigen Abzug der 35.000 Mann starken syrischen Truppen aus dem Libanon hatte die israelische Regierung schon vorab fallenlassen. Beobachter schließen nicht aus, daß die Forderung nach Sicherheitsgarantien vor allem dem Eindruck vorbeugen soll, Israel fliehe in Panik aus dem „libanesischen Sumpf“. Georg Baltissen, Jerusalem