Nutzloses Konzept neu aufgelegt

SPD in Rage über die von Innensenator Schönbohm geplante Zuzugssperre für Nichtdeutsche in bestimmte Bezirke. Schon 1975 bis 1990 hat die Regelung nichts gebracht  ■ Von Barbara Junge

„Diesen Schwachsinnn wieder aufzuwärmen, dazu gehört schon eine Menge Ignoranz“ – mit scharfen Worten kommentiert der SPD- Innenpolitiker Hans-Georg Lorenz den neuesten ausländerpolitische Vorstoß von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Dessen umstrittene Ankündigung, Zuzugssperren für Nichtdeutsche in bestimmten Bezirken wieder einführen zu wollen, stößt auf vehementen Widerstand beim Koalitionspartner SPD.

Bereits von 1975 bis 1990 galt eine solche Sperre in Berlin. Damals wurden die Beschränkungen in den Paß der Betroffenen gestempelt. Als die rot-grüne Koalition die Regierung übernahm, stand in der Koalitionsvereinbarung: Die Regelung wird abgeschafft. „Das Ziel, nämlich die Konzentration in den Stadtteilen zu begrenzen“, so resümiert heute der migrationspolitische Sprecher der SPD, Eckhardt Barthel, „wurde überhaupt nicht erreicht.“

So stieg nach Senatszahlen zum Beispiel im zuzugsgesperrten Tiergarten der Ausländeranteil von 17,5 Prozent 1984 kontinuierlich auf 20,3 Prozent 1990. Im ebenfalls gesperrten Kreuzberg kletterte die Zahl von 25,7 Prozent (1984) auf 28,8 Prozent (1990). Während andere Länder ähnliche Regelungen bereits nach ein bis zwei Jahren wieder abgeschafft hatten, hielt Berlin jedoch lange daran fest. „Obgleich“, wie der bündnisgrüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland berichtet, „die Gerichte auf Einzelfallprüfung bestanden. Und im Einzelfall war die Regelung oft verfassungs- oder rechtswidrig.“

H.-G. Lorenz weist auch heute darauf hin, daß eine Zuzugssperre weitgehend wirkungslos sei. „Der größte Teil des Zuzugs sind Familienangehörige“, so Lorenz, „und deren Nachzug ist durch das Grundgesetz, Artikel 6 geschützt.“ Weiter, warnt Lorenz, verursache eine solche Regelung nur einen „Riesenverwaltungsaufwand“ und Scheinanmeldungen.

Jenseits der rein technischen Diskussion warnt Lorenz: „Das führt doch nur zu noch mehr Ausländerhaß. Mit der Sache wird Scheinaktivität entfaltet. Scheinaktivität bringt natürlich keine Lösung, und dann sagen die Leute erst recht: Das Problem mit den Ausländern ist nicht zu lösen.“ Der SPD-Mann sieht – mit Hinweis auf Le Pen in Frankreich –in Schönbohms Vorstoß nur eine Verstärkung rechter Parolen: „Wir kommen damit in einen Prozeß, an dessen Ende die staatliche Forderung ,Türken raus‘ steht.“

SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller nennt den Vorschlag der Zuzugssperre „platt“, er diene nur dem „Stimmenfang“ der CDU im Wahlkampf. Die bestehenden Integrationsprobleme löse man nicht dadurch, daß man ganze Stadtteile stigmatisiere, vielmehr müßten diese attraktiver gemacht werden. „Außerdem gehen die Ausländerzahlen in Berlin doch kontinuierlich zurück!“ Nur in den Schulen bestünde ein gravierendes Problem, „da müssen wir aktiv werden“.

Grundsätzlich lasse sich die Integration jedoch nicht umsetzen, solange die Bonner Koalition am „Blutrecht“ in der Staatsbürgerschaft festhalte. „Die Integration wird doch verweigert“, so Stadtmüller. Die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John, betonte, daß auch in vorwiegend von Deutschen bewohnten Bezirken gravierende Probleme existieren. „Ich verstehe ja, daß die Leute sich Sorgen machen“, so John weiter, „aber das eigentlich Problem ist doch der Wegzug der sozial Starken.“ Barbara Junge