Neue Effekte

■ Der Davis-Cup: diesmal verschlüsselt, dafür werbefrei. Was tut man mit der ganzen Zeit?

„Ohne eine einzige Werbeunterbrechung“ kann man sich, so wirbt Premiere zur Zeit in ganzseitigen Anzeigen, am Wochenende den Tennis-Davis-Cup zwischen Deutschland und Südafrika anschauen. Damit sich das Hinsehen lohnt, hat der Pay-TV-Sender in Bremen 27 Kameras aufgebaut.

So viele gab es noch nie bei einer Tennisübertragung, und folglich soll es auch ganz neue Effekte zu bestaunen geben: Wie beim Fußball steht an der Seitenlinie eine Kamera, die vor- und zurückfährt, und wie beim Boxen gibt es Live- Schaltungen in die Spielerkabinen. Von der Sat.1-Präsentation der letztjährigen ATP-Weltmeisterschaft guckte man sich eine Highspeed-Kamera ab, die speziell auf die Grundlinien ausgerichtet ist, und die Moderatoren werden – in Deutschland bislang ohne Vorbild – mit einer Mini-Brillenkamera ausgestattet. Damit soll der Reporter, so stellt man sich das bei Premiere vor, nach dem entscheidenden Matchball sofort ins Getümmel gehen, und drahtlos werden die Bilder des vor Freude in die Luft geworfenen Teamchefs Boris Becker live übertragen.

Die Bremer Davis-Cup-Begegnung ist der Auftakt der zweijährigen Zusammenarbeit zwischen Premiere und dem Deutschen Tennisbund (DTB). Bislang hatten ARD und ZDF die Rechte, und sind mit den Erfolgen von Boris Becker und Michael Stich recht gut gefahren. Nun ist Becker in Bremen hauptsächlich Teamchef, nur im Doppel will er spielen, und sagt: „Ich will das Tennis am Leben erhalten.“

Die Einschaltquoten sind nämlich in den letzten Jahren trotz enormer Mittelaufwendungen gesunken. Das hat zwei Gründe: Zum ersten laufen Beckers und Grafs Karrieren langsam aus, die von Michael Stich ist schon zu Ende, und die Nachfolger heißen Thomas Haas oder Nicolas Kiefer – und so bekannt sind sie auch. Zum zweiten hat der deutsche Tennisboom, der 1985 mit Boris Beckers Wimbledonsieg begann und seine Fortsetzung unter anderem mit drei deutschen Davis- Cup-Siegen fand, zu einer Marktsättigung geführt. Keine „Tagesschau“ kam ohne die Meldung aus, daß bei irgendeinem ATP-Turnier irgendein deutscher Spieler die zweite Runde erreicht hatte, doch ohne die ganz großen Erfolge der Beckers, Grafs und Stichs verblaßt das Interesse.

Da man beim DTB die Erfahrung gemacht hat, daß in den letzten Jahren vor allem der Davis- Cup mit seiner in diesem Sport sonst eher unüblichen nationalistischen Aufwallung Tennis populär gemacht hat, ist man mit dem Premiere-Deal gar nicht so zufrieden. Der Werbeeffekt für den Sport ginge verloren, argumentieren viele, nun drohe Tennis das Schicksal von Golf, das durch die Erfolge eines einzelnen Deutschen, nämlich Bernhard Langer, in den achtziger Jahren ebenfalls kurzzeitig auf dem Sprung zum Volkssport war. Auch in diesem Sport werden die bedeutendsten Turniere nur verschlüsselt, mal auf Premiere, mal auf auf Leo Kirchs Digital-Pay-TV-Sender DF-1, gezeigt, was die den beiden Sportarten nachgesagte Exklusivität wiederherstellt.

Daß Premiere jetzt ohne Werbepausen sendet, paßt zwar zur aristokratisch-großbürgerlichen Herkunft des weißen Sports, ist aber völlig unnötig. In keinem anderen Sport ist die Differenz zwischen Netto- und Bruttospielzeit, d.h. der Zeit, in der der Ball im Spiel ist und der Matchunterbrechung so groß wie im Tennis: Bei einem vier- oder fünfstündigen Match, was im Davis-Cup schon mal vorkommen kann, ist der Ball in Wirklichkeit nur wenige Minuten Spiel. Viel Zeit für Werbepausen also, die Premiere jetzt mit seiner gesamten technischen Ausstattung überbrücken muß. Martin Krauß