Jelzin macht der Duma Zugeständnisse

■ Rußlands Präsident will Parlament an Regierungsbildung beteiligen

Moskau/Washington (AFP/ dpa) – Angesichts des Widerstands im russischen Parlament gegen die Nominierung des 35jährigen Sergej Kirijenko zum Regierungschef hat Präsident Boris Jelzin zugestimmt, das Parlament an der Bildung der neuen Regierung zu beteiligen. Wie der Kreml gestern mitteilte, berief Jelzin für kommenden Dienstag Gespräche am Runden Tisch ein. Er forderte die Abgeordneten auf, ihm Kandidaten für Ministerposten vorzuschlagen. Zunächst war aber nicht klar, wer an den Gesprächen teilnehmen solle. Auf den Kompromiß einigten sich Jelzin und die Präsidenten der beiden Parlamentskammern, Gennadi Selesnjow und Jegor Strojew, während eines Krisentreffens in Jelzins Residenz Rus.

Das von den Kommunisten dominierte russische Unterhaus, die Duma, hatte scharfe Kritik an der Nominierung Kirijenkos durch Jelzin geübt und eine Beteiligung an der Regierungsbildung gefordert. Heute sollte die Duma über den Kandidaten abstimmen. Für den Fall, daß sie seinen Kandidaten nicht bestätigt, hatte Jelzin wiederholt mit der Auflösung des Parlaments und der Abhaltung von Neuwahlen gedroht.

Nach der Absetzung der Regierung unter Wiktor Tschernomyrdin in der vergangenen Woche hatte Jelzin den liberalen Reformer Kirijenko zunächst zum geschäftsführerenden Regierungschef ernannt und ihn später als Ministerpräsidenten vorgeschlagen.

Wenn die neue Regierung einmal steht, wird Rußland die nächste Kreditrate vom Internationalen Währungsfonds (IWF) erhalten. Das stellte IWF-Generaldirektor Michel Camdessus am Mittwoch bei einem Rußland-Forum in Washington in Aussicht. „Der IWF wird Rußland weiter drängen, das vereinbarte Wirtschaftsreformprogramm voll umzusetzen“, sagte Camdessus. Der Gesamtkredit umfaßt zehn Milliarden Dollar, die je nach Fortschritt der Reformen in Raten ausgezahlt werden.

Das russische Finanz- und Steuersystem lasse noch viel zu wünschen übrig, sagte Camdessus. Die Regierung müsse vor allem entschiedenere Schritte unternehmen, Steuerschulden einzutreiben, das Bankensystem zu stärken und Vetternwirtschaft zu unterbinden. Er warnte, daß Rußland sonst in eine ähnliche Krise wie die südostasiatischen Länder geraten könne.