Clinton sieht Aprilscherze wahr werden

Das Verfahren Paula Jones gegen Bill Clinton wegen sexueller Belästigung ist mangels Beweisen eingestellt. Jetzt wächst der Druck auf Sonderanwalt Kenneth Starr, auch seine Ermittlungen abzuschließen  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Ob das ein Aprilscherz sei, wollte Bill Clinton wissen, nein, antwortete sein Anwalt, mit sowas scherzt man nicht. Die Bundesrichterin Susan Webber Wright hatte wirklich am Mittwoch das Verfahren Jones gegen Clinton wegen sexueller Belästigung nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Selbst wenn die Behauptungen der Paula Jones als wahr unterstellt würden, heißt es in ihrer Urteilsbegründung, reichten die vorgebrachten Beweise nicht für eine Verurteilung.

Paula Jones, eine ehemalige Sachbearbeiterin in der Staatskanzlei des Bundesstaates Arkansas, war im Februar 1994 auf einer Veranstaltung konservativer Clinton-Gegner aufgetreten und hatte den damaligen Gouverneur beschuldigt, sie im Jahre 1991 während einer Konferenz in sein Hotelzimmer in Little Rock bestellt, dort seine Hose heruntergelassen und sie zum oralen Sex aufgefordert zu haben. Das zweite Anwaltsteam von Paula Jones – die ersten hatten die Verfolgung des Falls wegen Unstimmigkeiten mit ihrer Mandantin aufgegeben – suchten zweierlei zu beweisen: daß Clinton Paula Jones' berufliche Entwicklung behindert habe, weil sie ihm nicht zu Willen war, und daß dies ein gängiges Verhalten des Gouverneurs und späteren Präsidenten war. Sie suchten Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wollten.

So hätte es ohne Paula Jones weder die Fälle Lewinsky noch Willey gegeben. Monika Lewinsky, eine Praktikantin im Weißen Haus, behauptete, mit dem Präsidenten im Ovalen Office oralen Sex gehabt zu haben. Kathleen Willey behauptete, von Clinton in seinem Amtszimmer begrapscht worden zu sein. Das Weiße Haus zog die Glaubwürdigkeit beider Frauen in Zweifel.

Politisch brisant wurde der Fall, als sich die Nachforschungen der Anwälte von Paula Jones mit den Ermittlungen des Sonderstaatsanwalts Kenneth Starr kreuzten, der eigentlich Clintons Rolle bei einem Immobiliendeal im Arkansas der 70er Jahre untersuchen sollte. Ihn interessierte, daß der Präsident Monika Lewinsky dazu aufgefordert haben sollte, über ihr Verhältnis zu ihm zu lügen, notfalls auch unter Eid, und daß er selbst unter Eid falsch ausgesagt haben sollte.

Starr kündigte nun an, daß seine Untersuchungen von dem Urteil unberührt blieben. Doch mindestens mit seinen Nachforschungen über die Meineidigkeit des Präsidenten befindet er sich in einer juristischen Grauzone. Wenn es den Fall Paula Jones juristisch nicht mehr gibt, kann Clinton auch schlecht in diesem Verfahren falsch ausgesagt haben. Kenneth Starr, der in den letzten Monaten den Eindruck erweckte, er spüre nur noch dem Privatleben Clintons nach, gerät jetzt auch unter starken Druck, seine Ermittlungen insgesamt abzuschließen, schließlich hatte die republikanische Führung des Kongresses schon mit den Vorbereitungen zu einem Amtsenthebungsverfahren begonnen.

Der Fall Paula Jones hat das politische Leben Washingtons auf den Kopf gestellt und so gründlich verändert, daß eine Rückkehr zur Tagesordnung trotz dieses Teilerfolgs für den Präsidenten nur schwer vorstellbar ist. Noch nie war ein Inhaber der Exekutive einer derart peinlichen Offenlegung seines Privatlebens unterworfen.

Rechtsgeschichte machte der Fall, als das Oberste Gericht im letzten Jahr entschied, daß der Präsident keinen Anspruch auf Immunität während seiner Amtszeit hatte. Der Prozeß könne auch ohne große Beeinträchtigung der Amtsführung vonstatten gehen.

Und die vierte Gewalt schließlich, die Presse, warf alle Standards gewissenhafter Berichterstattung über Bord. Gerüchte wurden schnell und ungeprüft in die Welt gesetzt, man erinnere sich des samenbefleckten Kleides, das Lewinsky in ihrem Schrank als Souvenir aufgehoben haben sollte und der Aussage eines Sicherheitsmannes, der Lewinsky und Clinton in kompromittierender Zweisamkeit gesehen haben wollte.

Die Öffentlichkeit begrüßte den Urteilsspruch. Nach ersten Meinungsumfragen finden 60 bis 70 Prozent der Befragten, die Richterin habe korrekt gehandelt.