Keine Öko-Klagen gegen EU

■ Europäischer Gerichtshof lehnt Klagebefugnis von Umweltverbänden ab

Freiburg (taz) – Der Öko- Rechtsschutz in der EU bleibt lückenhaft. Umweltverbände und Einzelpersonen haben weiterhin kein Klagerecht gegen umweltrelevante Entscheidungen der EU- Gremien. Dies entschied gestern der Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in einer Grundsatzentscheidung auf eine Klage von Greenpeace.

Im Mittelpunkt standen zwei Ölkraftwerke, die Anfang der 90er Jahre auf den Kanarischen Inseln gebaut werden sollten. An der Finanzierung beteiligte sich die EU über ihren Strukturfonds mit rund 90 Millionen Mark. Ein Skandal, so Greenpeace, denn die EU- Kommission hatte sich im Interesse des Klimaschutzes die Förderung erneuerbarer Energien auf die Fahnen geschrieben, und dazu paßte es nun gar nicht, daß die EU auf den sonnenreichen Inseln Teneriffa und Gran Canaria den Bau von Ölkraftwerken unterstützte statt den Bau von Solarzellen.

Juristisch mußte Greenpeace jedoch anders argumentieren: Man verwies darauf, daß die EU-Kommission das Geld für die Kraftwerke schon bezahlt hatte, bevor die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung fertig war. Ein klarer Bruch des EU-Rechts, gegen den Greenpeace zusammen mit lokalen Umweltgruppen und Inselbewohnern Klage erhob. Beim EU-Gericht erster Instanz, das für Individualklagen vor allem in Beamten- und Wettbewerbsfragen zuständig ist, erging schon 1995 der Beschluß: Weder Umweltgruppen noch Anwohner der Insel können gegen die EU-Finanzierung der Kraftwerke klagen.

Doch damit hatte Greenpeace gerechnet und ging in die zweite Instanz, zum EuGH. Dort schien das Verfahren zuerst ganz gut zu laufen. Denn der Generalanwalt am Gerichtshof, der die Urteile mit ausführlichen Gutachten vorbereitet, stellte sich im Herbst teilweise hinter die Klagen. Er schlug vor, daß zumindest besonders betroffene Anwohner ein Klagerecht gegen neue Anlagen haben sollte. Dies würde in etwa der deutschen Rechtslage entsprechen.

Um so enttäuschender nun das EuGH-Urteil, das gestern in Luxemburg verkündet wurde. Das Gericht sah keinen Grund, von seiner bisherigen Rechtssprechung abzuweichen, wonach als Voraussetzung für die Klagebefugnis eine „individuelle Betroffenheit“ verlangt sei. Selbst die 16 klagenden Einzelpersonen seien vom Kraftwerksbau nicht stärker betroffen als andere BewohnerInnen der Kanarischen Inseln. Greenpeace- Sprecherin Louise Gale zeigte sich enttäuscht: „Wie kann die Öffentlichkeit die EU-Verlautbarungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit in Umweltbelangen ernst nehmen, wenn es keine Möglichkeit gibt, Kommissionsentscheidungen vor Gericht anzufechten?“

Nach dem Urteil ist nun die Politik gefragt. Die Umweltverbände fordern schon seit langem ein besseres Klagemöglichkeiten. In einem noch unveröffentlichten Entwurf für ein neues Umwelthaftungsrecht plädierte kurioserweise selbst die EU-Kommission für ein europaweites Verbandsklagerecht (Az.: C-321/95). Christian Rath