Alte Kleider, die plötzlich keiner mehr will

Ein Auktionshaus bietet die Kleidung von KZ-Häftlingen zum Verkauf an. Die Jüdische Gemeinde protestiert  ■ Aus Berlin Patrik Schwarz

Die Jacke ist ordentlich zugeknöpft, auf dem Kopf der gesichtslosen Schaufensterpuppe sitzt ein Käppi, über den Arm gelegt hält sie korrekt gefaltet eine Hose. Die Kleidungsstücke auf der Fotografie sind im Stil eines Herrenausstatters arrangiert, und auch der Text des Katalogangebots Nummer 4401 wirkt wie der Sprache von Textiliengrossisten entlehnt: „KZ-Anzug für Männer, Jacke, Hose“. Als handele es sich um Prädikatsmerkmale, heißt es über Jacke und Hose weiter: „je mit rotem Dreieck (Kommunist), dazu die Mütze“. Präzise vermerkt der Katalog: „Hose stark getragen“. Das Foto ist eine Schwarzweiß- Aufnahme und im Katalog des „Berliner Auktionshauses für Geschichte“ abgebildet. Nach Angaben von Geschäftsführer Jens Lau handelt es sich bei dem Angebot um historische Häftlingsbekleidung aus einem nationalsozialistischen Konzentrationslager. Und das Los 4401 ist nicht das einzige seiner Art. Nach Recherchen der taz wollte das Auktionshaus insgesamt drei Exemplare von Häftlingsbekleidung verkaufen.

Nach einem ersten Bericht über einen der geplanten Verkäufe hatte Lau noch getönt: „Ich habe kein schlechtes Gewissen. Das sind geschichtliche Zeugnisse. Und ich habe die deutsche Geschichte nicht gemacht.“ Gestern dann sprach der Militariahändler am Telefon seines Geschäfts im Stadtteil Schöneberg nur noch mit deutlicher Vorsicht in der Stimme. Eine „Ausgeburt der Geschmacklosigkeit“ hatte zuvor der stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Moishe Waks, dem Auktionshaus vorgeworfen. Waks sprach von einem „unerträglichen Maß an Zynismus“ gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und ihren Nachkommen. „Das muß gesellschaftlich geächtet werden“, so die Forderung der Jüdischen Gemeinde.

Am 7. März dieses Jahres wurde der Häftlingsanzug zur Versteigerung angeboten — zusammen mit den Angeboten 4402 und 4343, die beide unter der Bezeichnung „KZ- Frauenkleid“ aufgeführt sind. Ausweislich der „Ergebnisliste“ für die Auktion mit Stand vom 30. März fand sich kein Käufer. Während ein Exemplar des Frauenkleids nicht zum Aufruf kam, sind das andere Kleid sowie der „KZ- Anzug“ unverändert im Angebot. „Telefonische Bestellungen sind möglich“, heißt es im Internet-Angebot des Auktionshauses, zusätzlich zum Katalogpreis sind „15 Prozent Aufgeld“ zu entrichten.

Der vehemente Protest von Organisationen wie der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) hat inzwischen offenbar Wirkung gezeigt. „Ich werde so 'ne Bekleidung nicht mehr aufnehmen“, sagte Lau am Donnerstag der taz. „Wenn ich damit jemanden verletze, dann nehme ich das raus.“

Im übrigen habe er seinen Katalog wie vorgeschrieben dem Gewerbeaufsichtsamt und der Industrie- und Handelskammer vorgelegt. Allerdings habe keine strafrechtliche Relevanz festgestellt werden können, sagte eine Polizeisprecherin der Boulevardzeitung B.Z.

Der auf Militaria von Kaiserreich und Hitlerzeit spezialisierte Lau sieht sich zu Unrecht in die Kritik geraten. Just von jenen werde er angegriffen, die doch in Wahrheit seine Käufer seien. Nicht die Sachwalter der Täter, sondern die der Opfer seien schließlich am Erwerb der Hinterlassenschaften aus den Konzentrationslagern interessiert. Zu seinen Kunden gehörten KZ-Gedenkstätten, Holocaust-Museen und jüdische Museen. „Ja“, bestätigt Frauke Dettmer der taz, „wir haben dort gekauft.“ Die Kuratorin des Jüdischen Museums Rendsburg ersteigerte für die öffentlich geförderte Sammlung etwa einen holländischen Judenstern. „Man kauft nicht ohne sehr schlechte Gefühle im Bauch — aber gerade für Jugendliche muß man Geschichte anschaulich machen.“ Bundesweit kauft Frauke Dettmer bei fünf bis sechs Auktionshäusern ein, hat einen jährlichen Etat von drei- bis viertausend Mark.

Geschäftsführer Lau will inzwischen seine Objekte am liebsten loswerden. „Daran hängt mein Herz nicht, schade ist nur, wenn sie in der Mülltonne landen“, sagt er. Der VVN hat dem Auktionshaus das Angebot unterbreitet, die Kleidungsstücke einer Gedenkstätte zukommen zu lassen. Lau will sich das Angebot überlegen, doch der Besitzer, ein Österreicher, über den er weiter nichts sagen könne, müsse einer eventuellen Schenkung natürlich zustimmen.