Schlechte Nachrichten für Azubis

■ Das Spitzengespräch von Arbeitgebern und Gewerkschaften mit Bildungsminister Rüttgers über den Lehrstellenmangel ist gescheitert. Arbeitgeber: Eine Ausbildungskrise gibt es nicht

Berlin (taz/dpa) – Wenn Bundeskanzler Kohl am 15. Juni zum Treffen des Europäischen Rats fliegt, um den nationalen Aktionsplan für mehr Beschäftigung vorzustellen, wird das Kapitel „Ausbildung“ dürftig ausfallen. Der Versuch, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Regierung auf einen Kurs zu bringen, ist am Mittwoch abend gescheitert.

Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) hatte Vertreter der Tarifparteien zu einem Meinungsaustausch geladen. Die Vertreterin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Vorstandsfrau Regina Görner, forderte abermals eine Strafgebühr für Betriebe, die nicht ausbilden. Diese sogenannte Umlagefinanzierung sei notwendig, weil die Lehrstellenbilanz bei weitem nicht ausgeglichen sei. Im vergangenen Jahr hätten 140.000 Jugendliche nur einen Platz in einer staatlichen „Warteschleife“ gefunden; 47.000 junge Leute seien noch nicht einmal dort untergekommen, sagte Görner.

Für die Arbeitgeber nahm Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Deutschen Handwerks, am Gespräch teil. Er sagte, für jeden ausbildungswilligen Jugendlichen gebe es eine Ausbildungsstelle, darüber seien sich alle einig. Eine Lehrstellenkrise, wie von Görner beschrieben, gebe es nicht. Auch im kommenden Herbst würden die Arbeitgeber alle Schulabgänger mit entsprechenden Ausbildungsplätzen versorgen können.

Beim Thema Lehrstellen geraten die beiden Seiten regelmäßig aneinander. Am Dienstag hatte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans Peter Stihl, geklagt, mit den Statistiken werde „Schindluder“ getrieben. Er sagte zu, in diesem Jahr zwei Prozent mehr Lehrstellen zu schaffen. Dies nannte Regina Görner „absolut lächerlich“; notwendig seien neun Prozent mehr Ausbildungsplätze.

Zu dem am Mittwoch geplatzen Gespräch mochte sich Bildungsminister Rüttgers gestern nicht äußern. Formal hat er den Erfordernissen Genüge getan. Im vergangenen Jahr hatten die EU-Staaten auf einem Beschäftigungsgipfel beschlossen, die Tarif- und Sozialpartner in die Ausgestaltung der Aktionspläne einzubeziehen. Ziel ist es, für die wachsende Zahl an Schulabgängern ausreichend Lehrstellen bereitzustellen.

Regina Görner meinte gestern: „Wenn die Regierung nichts besseres anzubieten hat als Appelle an Länder und Tarifparteien, ist der nationale Aktionsplan nicht das Papier wert, auf dem er steht.“ Mittlerweile registrieren die Arbeitsämter in Ostdeutschland eine Jugendarbeitslosigkeit von 23 Prozent, im Westen sind mehr als 14 Prozent ohne Job. roga