Umfrage: Leisten StudentInnen zuwenig?

■ Leistungspunktsystem, schnelleres Studium: Das HRG will mehr Leistung an den Unis. Wie ist die Stimmung vor Ort? Peter Kasza hat sich an der Humboldt-Universität umgehört

Studenten haben auf jeden Fall genug zu tun. Das Problem sind unsinnige Prüfungsordnungen und verfestigte bürokratische Strukturen. Oft stehen zum Beispiel dreißig oder gar mehr Werke auf der Leseliste. Wenn man so viel Zeit auf die Lektüre verwenden muß, bleibt kaum noch Zeit für Sekundärliteratur. Oder es stehen viele Teilprüfungen in verschiedenen Fächern innerhalb weniger Wochen an. Studenten können sich darauf kaum vernünftig vorbereiten.

Christine Ehler,

31 Jahre, Wissenschaftliche Assistentin Anglistik

O ja, das ist absolut richtig, Studenten leisten viel zuwenig. Ich bin das beste Beispiel dafür. Seit ein paar Semestern versuche ich meine Abschlußarbeit zu schreiben. Nur ich packe das einfach nicht, weil ich nicht genug gelernt habe, mich schriftlich auszudrücken und meinen Tag irgendwie anders verbringe. Zu meiner Entschuldigung: Ich habe zwei Kinder, aber lange halten die auch nicht mehr als Ausrede her. Statt nebenbei zu arbeiten, bin ich lieber mit einem Mann zusammen, der mich auch finanziert. (lacht)

Eva-Maria Menard,

30 Jahre, 15. Semester Theologie

Wenn die Studenten Forderungen stellen, müssen sie dem auch Leistungen entgegenstellen. Ich halten eine Studienzeitbegrenzung für sinnvoll. Wenn Studierende nicht ewig studieren würden, wäre für Nachrückende wieder Platz. Auch eine Bafög-Reform müßte endlich leistungsbezogen sein. Sie sollte allerdings eine Grundversorgung gewährleisten, die das Studieren ermöglicht. In der ganzen Welt herumreisen, sollte jedoch keineswegs aus der Staatskasse finanziert werden.

Horst Hoefs,

58 Jahre, technischer Angestellter der Humboldt-Universität

Studenten sollten solange studieren dürfen, wie sie wollen. Auf Prüfungen kommt es nicht an, sonderen auf das, was sie für sich wollen, auf ihre Bildung, ihre Emanzipation. Ich studiere in erster Linie für mich selbst, deshalb könnte man meinetwegen die Zwischenprüfungen wieder abschaffen. Natürlich muß ich nebenbei arbeiten, um mein Studium zu finanzieren. Das Geld, das ich von meinen Eltern bekomme, reicht hinten und vorne nicht. Seit Jahren jobbe ich 20 bis 25 Stunden wöchentlich.

Christine Mail,

27 Jahre, 6. Semester Philosophie

Fotos: Wolfgang Borrs