Ganz große Koalition führt die ganz große Währung ein

■ Im Bundestag stimmen Union, FDP, SPD und Grüne für die Einführung des Euro. Kohl und Lafontaine sehen historische Chance. Nur PDS lehnt die Währungsunion ab

Bonn/Karlsruhe (taz) – Koalition und Opposition schweben gemeinsam auf Wolke Euro. Vertreter von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnisgrünen bezeichneten die Einführung des Euro gestern im Bundestag als „eine historische Chance“. Nach einer mehr als vierstündigen Debatte stimmten die Abgeordneten mit großer Mehrheit dem Euro-Einführungsgesetz zu, das die Übergangszeit von 1999 bis zur tatsächlichen Einführung des Euro Anfang 2002 regelt. Nur die Vertreter der PDS-Bundestagsgruppe stimmten gegen die Währungsunion. Dem Euro stehen auch keine juristischen Hürden mehr im Weg. Das Bundesverfassungsgericht wies zwei Verfassungsbeschwerden zurück.

Ungeachtet der großen Einigkeit über die Einführung des Euro verfolgte die Koalition die Strategie, die SPD als Euro- feindlich darzustellen. Kohl griff den nicht anwesenden SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder wegen dessen Äußerung an, der Euro sei eine „kränkelnde Frühgeburt“. Wer sich für das Amt des Bundeskanzlers bewerbe und zu solchen Formulierungen versteige, disqualifiziere sich selbst. Schröder isoliere sich damit im Kreis der europäischen Partner. Kohl versicherte, der Euro werde eine dauerhaft stabile Währung wie die Deutsche Mark. SPD-Parteichef Lafontaine kritisierte die Regierung, weil sie auf die Risiken der Währungsunion keine Antworten habe. Das Mißtrauen der Bürger gegen die weitere europäische Einigung werde wachsen, wenn die Politiker ihnen weiter „Sand in die Augen streuen“. Der Wegfall der Wechselkurse werde zu einem verschärften Wettbewerb führen. Das könne Transferzahlungen der wirtschaftlich starken an die ärmeren Länder erforderlich machen.

Die Herausforderung von 18 Millionen Erwerbslosen in Europa könne daher nur durch eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik bestanden werden. Der Fraktionssprecher der Grünen, Fischer, mahnte ebenfalls gemeinsame europäische Anstrengungen zur Überwindung der Arbeitslosigkeit an. Wenn die Menschen die Währungsunion nur als eine kalte ökonomische Veranstaltung erführen, werde sie „krachend gegen die Wand fahren“.

Am 1. Januar 1999 werden voraussichtlich 11 der 15 EU-Staaten Gründungsteilnehmer der Währungsunion sein. Außer der Bundesrepublik noch Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Belgien, Luxemburg, Irland, Finnland, Österreich und die Niederlande. Die endgültige Entscheidung über Start und Teilnehmerkreis der Währungsunion fällen am 2. Mai die Staats- und Regierungschefs der EU auf einem Sondergipfel. Das gestern beschlossene Gesetz regelt die dreijährige Übergangszeit nach dem 1. Januar 1999, in der die D-Mark und die übrigen nationalen Währungen noch als Untereinheiten des Euro fortbestehen. Das heißt: Zahlungen in Euro sind dann schon möglich, aber erst einmal nur bargeldlos. Euro-Scheine und -Münzen gibt es erst ab 2002.

„Zufällig“ am selben Tag machte auch das Bundesverfassungsgericht den Weg für die Einführung des Euro frei. In einem gestern veröffentlichten Beschluß wurden zwei Verfassungsbeschwerden gegen die Währungsunion als „offensichtlich unbegründet“ eingestuft. Kläger waren zum einen der Erlanger Rechtsprofessor Karl- Albrecht Schachtschneider (gemeinsam mit drei weiteren Ökonomen), zum anderen der Mainzer Staatsrechtler Hans Heinrich Rupp. Offen war, ob das Verfassungsgericht die Klagen zum Anlaß nehmen würde, noch einmal in die Währungspolitik einzugreifen. In seiner Maastricht-Entscheidung 1993 hatte das Gericht eine strikt verstandene „Stabilitätsgemeinschaft“ gefordert und damit zu weiteren Klagen gegen die deutsche Euro-Politik geradezu ermutigt. Markus Franz/chr

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