■ Sophie Behrs Romanheldin Ida wagt, was wir noch fürchten. Klein-Laura wird die größte Liebe ihres Lebens
: Wenn eine Frau in den besten Jahren sich eine Tochter klont

Wir schreiben das Jahr 0042 nach Hiroschima. Ida-Irene Suiz von Gallitzien ist eine erfolgreiche Werbetexterin und möchte mit fünfzig noch einmal schwanger werden. Da ihr Liebhaber Engelbert Holperting die Mithilfe verweigert, stellt sie ihr Wunschkind ohne den männlichen Saft her. Sie läßt sich klonen. Ein Arzt in Los Angeles bestückt Idas Ei mit einer ihrer Körperzellen und setzt ihr die geklonte Eizelle in die Gebärmutter ein. Das Projekt Laura nimmt seinen Lauf.

„Ei No. IV/07 hat sich unwiderruflich eingenistet. Fest sitzt es, und gut einhundertfünfzigtausend Mark hab' ich bisher ausgegeben. Und im Bett muß ich liegen, nach dem Heimflug, der awful war...“, schreibt Ida 0042 euphorisch in ihr Tagebuch. Dieses wird zu ihrer einzigen Vertrauten. Dort brütet Ida über ihre Kindheit, schreibt sich die innigsten Muttergefühle von der Seele und spinnt glühende Allmachtsphantasien.

Zu früh, aber planmäßig, weil Ida es so wollte, kommt das geklonte Selbst zur Welt. Es ist – wie könnte es anders sein – ein Mädchen. Ida erlebt zu Töchterchen Laura die größte Liebe ihres Lebens. „Wieder bin ich überrascht, welches Glücksgefühl mich durchströmt, als ich mich behutsam an ihren regelmäßig atmenden Leib schmiege. Sie atmet wohl zweimal so schnell wie ich, das ergibt einen Rhythmus, ein spiraliges einander Umkreisen. Wir bilden eine Hülle. Wir beide.“

tas, ein Wesen, „halb Mann, halb Frau, halb Maschine“, findet im Jahre 2025 n. Chr. die Tagebücher einer inzwischen verstorbenen Frau. Es sind die Aufzeichnungen von Ida-Irene Suiz von Gallitzien. tas, das Wesen aus der Zukunft, montiert Idas Tagebuchaufzeichnungen zu einem Roman, fügt ein, blickt zurück und voraus. Die Sprache von tas ist ein ver-rücktes Englisch, eine Mischung aus Zahlen und Buchstaben. Teilweise sind seine Kommentare kryptisch: „I M editor + commentator of ida's diaries I M – tas – „the Androgynous Scrutinizer“ (in older words: DURCHBLICKER) ...“. Sie bleiben unverständlich. Doch das verzeiht man tas.

Der Tagebuch-Roman ist jedoch kein Zukunftsroman. Denn die Schwangerschaft beginnt nach unserer Zeitrechnung im Jahre 1987. Ist der Roman eine satirische Abrechnung mit der Jetztzeit um die Jahrtausendwende? In der Retortenbabies, Leihmütter, In-vitro-Fertilisation, Manipulation an der DNA und das Klonen von Tieren schon real sind? Oder handelt es sich um feministischen Größenwahn von einer vollkommenen Selbstverwirklichung? Oder ist es die Phantasie, unsterblich zu werden, indem frau sich immer wieder selbst reproduziert?

Neben all diesen Ver-rücktheiten ist es ein Roman über die Liebe. Eine zärtliche, freche und tabulose Femmage an weibliche Sexualität, Schwangerschaft, Geburtserlebnis und Muttersein. „Ich möchte lebenslang gebären können“, schreibt Ida Suiz. Ein praller, lustvoller und spannender Roman – bis zum Schluß. Geht die Rechnung auf? Erfüllen sich Idas Wünsche? Bleiben Mutter und Kind glücklich in dieser Symbiose?

Laura ist zwar ein Klon ihrer Mutter, aber entwickelt ihre eigene Persönlichkeit – zum Stolz und zum Schrecken von Ida. Und – Ironie des Schicksals – Laura hat das Kallmann-Syndrom, sie ist ohne Eierstöcke geboren worden und unfruchtbar. Ein Kind könnte sie nur bekommen, würde sie sich klonen lassen. Doch Laura lehnt die Reproduktionstechnologie ab.

Wegen dieses Konflikts trennen sich Mutter und Tochter. Ihre wahre Herkunft verschweigt Ida wohlweislich ihrer Tochter. „..., ich muß alles MIT INS GRAB NEHMEN.“ Michaela Eck

Sophie Behr: „Ida&Laura. Once More with Feeling“. Ulrike Helmer Verlag, 1997, 371 S., 39,80 DM