Vernunftehe der Schmerzpatienten

■ NDR und Radio Bremen wollen miteinander kooperieren / Sender planen ein gemeinsames „Nordwestradio“/ Wird die erst knapp drei Jahre alte „Melodiewelle“dafür abgewickelt?

Die Schlagergemeinde im Radio-Bremen-Land muß sich aller Voraussicht nach bald eine neue Heimat suchen. Denn die „Melodiewelle“ist als jüngstes „Format“der vier Hörfunkprogramme der kleinsten ARD-Anstalt Topkandidat für eine Abwicklung zugunsten eines neuen Programms. Grund für diese Spekulationen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Radio Bremen und dem Norddeutschen Rundfunk (NDR), die sich seit gestern abzeichnet.

Wie jetzt bekannt wurde, hat der NDR-Intendant Jobst Plog seinen Bremer Kollegen die Gründung eines gemeinsamen „Nordwestradios“vorgeschlagen. In Plogs Plan heißt es, der NDR wäre bereit, mit Radio Bremen zu kooperieren – „gegebenenfalls auch unter dessen Federführung“. Die Voraussetzung: Ein anderes, nicht so erfolgreiches Radio-Bremen-Programm entfällt. Das vierköpfige Direktorium hat diesen Vorschlag Plogs gestern begrüßt. Gleich nach Ostern würden die Gespräche über Einzelheiten beginnen, sagte Hörfunkchef Hermann Vinke auf Anfrage. Welches der vier Programme dafür geopfert oder geändert wird, wollte er freilich noch nicht sagen.

Als „ein Angebot zur Entlastung“bewertete NDR-Sprecher Martin Gartzke den Vorschlag seines Intendanten, der mit einer gemeinsamen „Expo-Welle“Gestalt annehmen könnte. Gartzke: „Wir gehen nach wie vor davon aus, daß sich die kleineren Anstalten darauf einstellen müssen, daß der ARD-Finanzausgleich nach 2000 nicht verlängert wird.“Nach offizieller Sprachregelung sehen das die Verantwortlichen beim Bremer Sender, der rund die Hälfte seines 190-Millionen-Etats als Finanzausgleich auch von GebührenzahlerInnen im bayerischen Wald erhält, anders. Doch den „wirtschaftlichen Druck“, unter dem Radio Bremen steht, redet niemand schön. Als kleine Ventile bieten die HamburgerInnen deshalb auch eine Zusammenarbeit in Aus- und Fortbildung sowie in der Verwaltung an.

Die Motive für die norddeutsche Vernunftehe von NDR und Radio Bremen sind beim kleinen Partner offensichtlich. Wie berichtet, mußten alle vier Hörfunkprogramme nach der neuen „Media-Analyse“in Bremen Verluste hinnehmen. Nur Radio Bremen 4 legte im Gesamt-Sendegebiet leicht zu. Diese im Sender sehr ernst genommenen Zahlen weichen zwar nicht dramatisch vom ARD-Trend ab. Doch selbst Vinke bezeichnete sie als existenzbedrohend.

Anders sind die Motive beim NDR. So paradox es klingt: Die große Vier-Länder-Anstalt muß auf Radio Bremen zugehen, um sich den kleinen Sender vom Leib zu halten. Denn an einer Übernahme Radio Bremens kann der NDR wenigstens zur Zeit kein Interesse haben. Ein Zusammengehen würde dicke rote Zahlen in der NDR-Bilanz auftauchen lassen. Damit nicht genug. Denn bis zum Jahr 2000 werden beim NDR 500 von 4.000 Stellen abgebaut. Bei einer Fusion mit Radio Bremen kämen wieder über 600 feste und mehr als 200 freie MitarbeiterInnen hinzu. Der ohnehin „sehr schmerzhafte Prozeß“, so ein Insider, müßte wieder von vorn beginnen. „Das wäre nicht nur den Arbeitnehmervertretern schwer vermittelbar.“

Schwer vermittelbar soll auch die Kritik der Bremer Politiker Bernd Neumann (CDU) und Christian Weber (SPD) an der Radio-Bremen-Spitze sein. Diese Angriffe seien imageschädigend und schmälerten die Marktchancen des Senders, konterte das Radio-Bremen-Direktorium. ck