Gelber Bundesadler auf blauem Umhängebeutel

■ Adlermäßig voll auf Zack ist der kürzlich eröffnete Bundestag Shop: Das Parlamentsfedervieh gibt es dort auf Krawattenclip, Mousepad und grauem Kugelschreiber – mit und ohne Brandenburger Tor

„Entdecken Sie die spannende Welt der Gesetzgebung, und erleben sie hautnah, wie ein Gesetz entsteht. Von der Initiative bis zur Verkündung. Halten sie Ausschußreden, organisieren Sie einen Wahlkampf, oder beweisen sie demokratische Kompetenz in über 500 Multiple-choice-Fragen.“ Mit diesen Worten wird „Gesetzgebung – Ein Computerspiel zum Mitmachen“ – potentiellen Westentaschen-Volksvertretern anempfohlen. Neben der ansprechend verpackten Diskette befindet sich im selben Regal unter anderem eine gratis Miniausgabe des Grundgesetzes. Die dürfte keine 50 Gramm wiegen und ist so klein ausgefallen, daß sogar Schulkinder sie mühelos unter den Achseln herumtragen können.

Doch machen solch traditionelle Informationsmaterialien über die fremde und unbekannte Welt der Plenarsäle und der frisch- fröhlichen Ränkespiele im Ausschußmilieu den geringsten Teil der Angebotspalette des Bundestag Shop aus. Dezent wurden diese Dinge auf einem kleinen Regal im hinteren Teil des Geschäftes verstaut. Nein, wer sich zu dem Spezialgeschäft (Unter den Linden 69b) aufmacht, hat ganz besondere Interessen und mußte bislang mit diskretem Schweigen übergehen, was ihm und ihr bizarres Laster war: der Hang zum Bundesadler!

Anläßlich der Geschäftseröffnung sprach die verständnisvolle Rita Süssmuth dieser Minderheit vor kurzem ihr Mitleid aus und setzte persönlich ein Zeichen, indem sie sich mit bundesadlerbestickter Baseballkappe fotografieren ließ. Das bekannte Erweckungsblatt für defätistischerweise verdrängte Identitäten – die Welt am Sonntag – fand Mut und brachte das Süssmuth-Bild. Seitdem, so berichtet Ulrike Wagner, Verkäuferin im Bundestag Shop, ist die Kappe der Renner im Sortiment.

Hier gibt es ihn endlich, in allen Variationen und Erscheinungsweisen, die die menschliche Phantasie sich auszudenken imstande ist: etwa den gelben Bundesadler auf blauem Umhängebeutel. Das hatte gefehlt, man muß es einsehen. Oder das obligatorische T-Shirt, neben dem obligatorischen Feuerzeug. Beide adlermäßig voll auf Zack! Ferner ein Kartenspiel mit vogeliger Rückseite oder ein Mousepad mit zusätzlichem Konterfei des Reichstags und des Brandenburger Tors. Das ist einfach Spitze, warum soll man es nicht endlich einmal erwähnen können? Hey, und die Schlüsselanhänger, der Krawattenclip, die Armbanduhren. Man braucht schon gar nichts mehr zu sagen. Doch dann! Nun, wer findet die Worte, die nötig sind, die Rührung des Besuchers zu beschreiben, wenn dessen Blick sich dem Kugelschreibersortiment nähert. Im metallischen, fraktionsübergreifenden Grau präsentieren sie sich, die drei kleinen Stifte in anspruchsvoller Schatulle und mit dezentem Adlersignet. Da empfindet Spaß, wer noch die Tränen zurückhalten kann! Daß es ferner Filofax-Kalender mit besagtem Gepränge gibt oder die blaue Krawatte mit einer Bundesadlervielzahl im symmetrischen Formationsflug drauf, wen wundert es jetzt noch?

Und doch, es scheint, als hätten des Raubvogels Gegner vermocht, eine unsichtbare Hürde vor dem Geschäft zu errichten, denn kein Mensch findet sich an jenem frühen Montagnachmittag im Laden ein, um in der lange verdrängten nationalen Symbolik zu schwelgen. Liegt es am hellen Tageslicht, das einen unerkannten Besuch vereitelt? Dabei hat der Betreiber des Geschäfts, die Bonner Universitätsbuchhandlung Bouvier, umsichtsvoll geplant und wie zur Tarnung den größeren Teil des Geschäfts dem Buchverkauf eingeräumt. Von den listigen Reminiszenzen eines Gregor Gysi bis zu altmännerweisen Aphorismen Konrad Adenauers, kein potentieller Eagle-Freak soll sagen können, er müßte sich am Büchertisch politisch zu sehr verstellen, bevor er den Gang zum Nippesregal antritt.

Die meisten der wackeren Kunden geben sich trotzdem vorerst als Franzosen, Amerikaner oder gar als Japaner aus. Nur die Mutigsten stehen zu ihrer nationalen Herkunft, doch auf den Zusatz, man wolle bloß ein Geschenk erwerben, verzichtet bislang nur die kleine Schar extrem gefestigter Persönlichkeiten. Nils Michaelis