Ganz Israel in Alarmbereitschaft

■ Die Regierung befürchtet nach dem Mord an einem Hamas-Aktivisten neue Anschläge

Jerusalem (taz/AP) –Ein Anschlag der islamistischen Untergrundorganisation Hamas steht nach israelischen Angaben unmittelbar bevor. Das gesamte Land wurde gestern in Alarmbereitschaft versetzt. Auf Jerusalems Busbahnhof suchten Spürhunde in Abfalleimern nach Sprengstoff. Überall im Lande wurden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.

Während Israel die Ermordung des mutmaßlichen Hamas-Bombenbauers Mohidien al-Sharif noch als Unfall darzustellen versucht, hat die Autopsie des Leichnams nach palästinensischen Angaben ergeben, daß Sharif bereits vor der Explosion getötet worden ist. Mehrere Kugeln einer Kalaschnikow sollen seinen Körper durchsiebt haben. Während israelische Quellen verbreiten, daß al- Sharif ein Opfer innerpalästinensischer Querelen geworden sei, halten sowohl Hamas als auch PLO- Vertreter daran fest, daß al-Sharif durch den israelischen Geheimdienst Shin Bet oder den Mossad getötet worden ist. Sowohl Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als auch Verteidigungsminister Jitzhak Mordechai haben diesen Vorwurf indes entschieden zurückgewiesen. Doch eine plausible Erklärung für den Mord an al-Sharif können sie nicht anbieten.

Die palästinensische Autonomiebehörde hätte al-Sharifs Gefangennahme sicherlich als Fahndungserfolg verkaufen können, zumal während des Besuchs von US-Vermittler Dennis Ross. Die ersten Stellungnahmen von Jibril Rajoub, dem Geheimdienstchef im Westjordanland, legen nahe, daß die Autonomiebehörde von dem Ereignis der Untersuchung überrascht wurde. Gesichert ist bislang, daß al-Sharif nicht durch die Explosion des 15 Kilogramm schweren Sprengstoffs, sondern durch mehrere Kugeln aus einer Kalaschnikow getötet worden ist. Aber wer genau für seinen Tod verantwortlich ist, ist bisher ungeklärt.

Bei der Haltung der israelischen Regierung mögen politische Erwägungen eine Rolle spielen. Nach dem offensichtlichen Scheitern der Ross-Mission haben die USA mit ihrer Frustration nicht hinter dem Berg gehalten. Madeleine Albright kündigte in Washington an, daß die USA sich generell aus dem Friedensprozeß zurückziehen würden, wenn die Parteien sich nicht über den Umfang des nächsten Teilrückzugs aus dem Westjordanland einigen würden. Während Israel neun Prozent anbietet, verlangen die USA 13 Prozent, die Europäer 20 und die Palästinenser rund 30 Prozent. Eine Annäherung ist hier bislang nicht in Sicht.

Ministerpäsident Netanjahu will angeblich den Beginn des Baus von Häusern auf Har Homa oder Jebel Abu Gneim im annektierten Süden Jerusalems mit dem Ausmaß des Rückzugs aus den palästinensischen Gebieten verknüpfen. Nach einem Bericht der Jerusalem Post will Netanjahu das Kabinett trotz rechtsgerichteter Opposition zu einem zweistelligen Rückzugsangebot bewegen. Als Gegenzug sollen die ersten jüdischen Wohneineiten auf Har Homa errichtet werden. Doch die Palästinenser drohen mit einem Abbruch jeglicher Verhandlungen, sollte auf Har Homa weitergebaut werden. Eine Kompromißlösung ist derzeit nicht in Sicht. Hinzu kommt, daß sich der nächste Konflikt bereits anbahnt. Die israelische Regierung will in diesem Jahr mit einer Militärparade an die Eroberung Ost-Jerusalems vor gut 30 Jahren erinnern. Am 24. Mai sollen durch den von Palästinensern bewohnten Ostteil der Stadt bis zu 15.000 israelische Soldaten marschieren und mehrere Dutzend Militärfahrzeuge rollen, wie am Freitag aus Regierungskreisen verlautete.

An der Parade sollen neben den Soldaten ebenso viele Zivilpersonen teilnehmen. Der Sprecher der Stadt, Hagai Elias, wollte zu der Parade keine Stellung nehmen. Er betonte aber, angesichts der Teilnahme von Zivilpersonen handele es sich nicht um einen militärischen Marsch. Ein ranghoher Vertreter der Palästinenser, Faisal Husseini, bezeichnete die Parade als unnötig. „Wenn sie in Ost-Jerusalem marschieren, dann sehen wir das sicherlich als Provokation an.“ gb