Wo ist Dieter Kunzelmann?

Der ehemalige Kommunarde und AL-Gründer Dieter Kunzelmann ließ seinen Tod per Anzeige in einer Zeitung kundtun. Und jetzt ist er nirgendwo aufzufinden  ■ Aus Berlin Dieter Rulff

Eine gelungene Aktion ganz im Sinne der Situationistischen Internationale oder Beginn eines angekündigten Todes? Dieter Kunzelmann gibt ein Rätsel auf, dessen Lösung vorläufig noch ausbleiben muß.

In der gestrigen Ausgabe der Berliner Zeitung konnte man eine Traueranzeige lesen, die dem ehemaligen Kommunarden gewidmet war. Eine Selbsttötung wurde im Text angedeutet. Allein, es fehlte ein Toter. Bei der Berliner Polizei ist Kunzelmann noch immer ein Begriff, eine Nachfrage ergibt, daß kein Todesermittlungsverfahren betreffs des ehemaligen Abgeordneten der Alternativen Liste vorliegt.

Bei der Fraktion der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus von Berlin herrscht Ratlosigkeit. Man versucht, den ganzen Tag die Spur des Ex-Abgeordneten aufzunehmen, doch der hat anscheinend alles Notwendige unternommen, um sie zu verschleiern. Auch Kunzelmanns Anwalt Christian Ströbele weiß von nichts.

Es stellt sich lediglich heraus, daß die Anzeige von einem Bekannten aufgegeben wurde, dem Kunzelmann den Text per Brief zugesandt hatte. Womöglich ein Aprilscherz, wie manche vermuten, die ihm schon früher einen makabren Humor bescheinigt hatten? Oder ist er abgetaucht? Weitere Telefonate ergeben, daß er sich vielleicht in Skandinavien aufhält. Eine entsprechende Vermutung äußert auch seine Mutter.

Der Grund eines solch fulminanten wie geschmacklosen Abgangs könnte in einem Vollstreckungshaftbefehl vom Oktober letzten Jahres liegen, der gegen Kunzelmann vorliegt. Der 58jährige wird von der Justiz gesucht, weil gegen ihn eine fünfmonatige Haftstrafe und eine Ordnungsstrafe verhängt wurden. Er hatte den Wagen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Eberhard Diepgen (CDU), angegriffen. In dem deshalb eingeleiten Gerichtsverfahren hat er Diepgen mit den Worten „Frohe Ostern, du Weihnachtsmann“ ein rohes Ei auf dem Kopf zerdrückt. Also ist er abgetaucht?

Weitere Anrufe bei früheren und jetzigen Freunden ergeben besorgte Fragen, Berichte über eine schwere Erkrankung und Einlassungen darüber, was man Kunzelmann an Geschmack oder vielmehr an Geschmacklosigkeit zutrauen kann. Darüber wurde bereits – sehr zu seiner Freude – vor mehr als 30 Jahren debattiert, als er Protagonist der Subversiven Aktion war, aus einem Sarg heraus mit Flugblättern um sich schmiß und mit Puddingattentaten auf den damaligen Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten – Hubert Humphry – für Furore sorgte. So oder so, treu geblieben ist sich Dieter Kunzelmann also auf jeden Fall.