Europa verweist Asien an den IWF

Die Asienkrise beherrscht den zweiten asiatisch-europäischen Gipfel. Europa gibt gute Worte statt Geld. Während Japans Stern sinkt, steigt Chinas Bedeutung  ■ Aus London Sven Hansen

Als in Bangkok 1996 das erste „Asia Europe Meeting“ (Asem) stattfand, wollten die Europäer stärker am Boom in Ost- und Südostasien teilhaben. Heute spricht niemand mehr vom Boom. Statt dessen drängen beim zweiten Asem-Gipfel in London die zehn asiatischen Staatschefs ihre 15 Kollegen aus Europa, stärker zur Bewältigung der Asienkrise beizutragen. „Europa läßt Asien nicht in Stich“, versichert Bundesaußenminister Klaus Kinkel. Asem beweise, daß die Beziehungen keine Schönwetterangelegenheit seien.

Auf Drängen Thailands wird der Gipfel eine gesonderte Erklärung zur Krise abgeben. Doch von den in London versammelten EU- Staats- und Regierungschefs werden die asiatischen Krisenländer kaum mehr als gute Ratschläge zu hören bekommen. Vielmehr verweisen die Europäer darauf, daß für sie der Internationale Währungsfonds (IWF) das zentrale Instrument fürs Krisenmanagement ist und daß an der bitteren Medizin aus Washington kein Weg vorbeiführt. Dem Vorwurf, nicht genug Mittel bereitzustellen, entgegnen die Europäer mit dem Hinweis, daß sie allein durch ihre Mitgliedschaft in IWF und Weltbank 30 Milliarden Dollar für das Krisenmanagement aufbringen.

Zwar soll auf Initiative der Briten die Einrichtung eines sogenannten Treuhänderfonds beschlossen werden. Doch der wird mit einem Umfang von 25 bis 50 Millionen Dollar nicht viel bewegen können und zudem bei der Weltbank angesiedelt sein. Den Fonds, der für Finanzberatung und Studien über die sozialen Auswirkungen der Krise gedacht ist, hält ein thailändischer Diplomat für eine Beruhigungspille. Ein deutsches Delegationsmitglied bezeichnet den Fonds schlicht als überflüssig. Denn der Fonds soll genau das finanzieren, was die Weltbank ohnehin macht. Deutschland und die meisten EU- Länder wollen sich deshalb nicht am Fonds beteiligen.

Der Asem-Gipfel als größtes Treffen etablierter und aufstrebender Industriestaaten unter Ausschluß der USA zeigt angesichts der Asienkrise auch die Gewichtsverschiebung in Asien von Japan in Richtung China. Tokio war jahrelang Europas erster Ansprechpartner in Asien und das einzige asiatische Land, das über große finanzielle Ressourcen verfügte. Premierminister Ryutaro Hashimoto reiste mit der Absicht nach London, sein neues Konjunkturprogramm zu erläutern. Doch während Hashimoto im Flugzeug saß, wurden besorgniserregende neue Wirtschaftsdaten über Japan veröffentlicht. Die britische Tageszeitung The Guardian machte gestern gar mit der Schlagzeile auf: „Japans Ökonomie vor dem Kollaps“. Angesichts eines solchen Empfangs konnte sich Hashimoto bei seiner Eröffnungsrede den Hinweis nicht verkneifen, daß Japan nach wie vor Asien am meisten Kapital bereitstelle. Doch gestern versicherte er: „Japan wird die notwendigen wirtschaftlichen Maßnahmen ergreifen.“

Dagegen kann sich China erfolgreich präsentieren. Zwar mußte auch der neue Premier Zhu Rongji einräumen, daß das Wirtschaftswachstum in der Volksrepublik mit sieben Prozent hinter dem angestrebten Ziel zurückgeblieben ist. Doch Zhu beeindruckt die Gipfelteilnehmer. Gastgeber Tony Blair bezeichnete ihn nach seinem Gespräch als „faszinierend“ und als „Modernisierer“.

Konkret werden in London Aktionspläne zu Investitions- und Handelserleichterungen, Initiativen zum südostasiatischen Katastrophenschutz und gegen Kinderprostitution beschlossen. Außerdem soll eine Visionsgruppe eingerichtet werden.

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