„Laufen wie die Weltmeister“

■ Der FC St. Pauli quält sich zu einem 0:0 über die Stuttgarter Kickers und feiert einen neuen Star

Der gefragteste Mann war nicht sehr gesprächig. „Ich muß rein“, meinte Ivan Klasnic (18) nur und blickte Richtung Kabinentrakt. Doch die Medienmeute ließ nicht locker. Wann er denn einmal Zeit hätte und wie man ihn wohl erreichen könne, wollten die begierigen Berichterstatter wissen. Klasnic, der kurz zuvor beim 0:0 gegen die Stuttgarter Kickers seinen ersten Einsatz im Berufsfußball absolviert hatte und sonst für die A-Jugend oder Oberliga-Amateure des FC St. Pauli Tore erzielt, war es erst einmal zuviel. „Jetzt kommt alles“, murmelte der Kroate und empfahl sich souverän: „Ich rufe an.“

Jens Scharping (23) hatte hingegen einen weniger anstrengenden Sonntagnachmittag, und dies nicht nur nach dem Spiel. Die O-Ton-Jäger ließen den Stürmer unbehelligt. Was hätten sie auch noch erfahren sollen? Die Zahlen sprachen für sich. Siebzehn Minuten waren gespielt, als Scharping den verletzten Juri Sawitschew ersetzte, fünfundsechzig, als Gerdl wieder raus mußte – für Klasnic.

Der treffsichere Jungspund berührte den Rasen, bekreuzigte sich und trabte ein. Die Stadionuhr zeigte 16 Uhr 22, und für viele mythisch veranlagte FC-Fans begann eine neue Zeitrechnung. Für Trainer Gerhard Kleppinger (40) hatte das Ganze nichts Symbolisches, behauptete er. Kein Signal, kein Zeichen, pure Not sei es gewesen. „Wenn vorne so gespielt wird wie in diesem Fall, muß man reagieren.“Soweit die offizielle Lesart.

Natürlich weiß auch Kleppinger – der Coach vermutlich sogar am besten –, daß es kein x-beliebiger Austausch war. Dafür hatte der fleißige Pragmatiker Klasnics Profidebüt („Gut und mutig“) zu genau vorbereitet. Schon vor dem Spiel die Beförderung des „Riesentalents“angedeutet („Auf der Bank ist noch Platz“) und auch sonst nicht verhehlt, wenig Respekt vor Rang und Namen zu haben.

Scharping, Christian Springer (26) und Carsten Pröpper (30) wollen beim FC neue Verträge. Kleppinger will das auch. Nur soll das Trio lediglich die Hälfte verdienen, meldete Sport-Bild. Scharping und Springer hatten gestern Kurzein-sätze, Pröpper wurde nachher gestutzt. Wer soviel wie der Kapitän fordere, meinte Kleppinger, müsse „laufen wie ein Weltmeister“.

Ein Hinweis, der gestern der gesamten Mannschaft hätte gelten müssen. Kilometergeld wäre bei fast allen eine Fehlbuchung gewesen. „Es ist gut, daß wir nicht mehr mit dem Aufstieg zu tun haben“, schimpfte FC-Angreifer Marcus Marin, „in der ersten Liga hätten wir nur auf die Augen bekommen.“

Trainer Kleppinger sah es ähnlich: „In dieser Verfassung wird es nicht gehen.“Trotz eines Rückstands von sechs Punkten auf einen Aufstiegsplatz wolle er aber nicht den Kopf in den Sand stecken. Er schaue weiter nach vorne. Und was sieht der Übungsleiter da? Eine rosige Zukunft? Nicht ganz, aber den ersten Einsatz Ivan Klasnic' vom Beginn. „Ich überlege“, sagte Kleppinger, „vielleicht schon in Cottbus.“Das wird ein Feiertag. So oder so. Das Spiel ist Ostermontag.

Clemens Gerlach