Nachhaltiger Mißbrauch

■ Augenarzt wegen Körperverletzung und Betrug angeklagt. Urteil am Mittwoch

Das Augenlicht ist ein kostbares Gut. Daher unterzog sich eine ältere Dame, die Angst um ihre Sehkraft hatte, 52mal einer aufwendigen Laseroperation, ohne Verdacht zu schöpfen. Der Operateur, ein 44jähriger Augenarzt, muß sich seit Februar vor dem Landgericht wegen Betrug und Körperverletzung verantworten. Die Anklage fordert eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten, die Verteidigung hat auf Freispruch plädiert. Am Mittwoch soll das Urteil verkündet werden.

Der Mediziner soll seit September 1990 in seiner Wandsbeker Praxis bei diversen PatientInnen überflüssige Eingriffe durchgeführt und abgerechnet haben. Außerdem soll er bei Kurz- und Fehlsichtigkeit unnötige Behandlungen angesetzt und Privatpatienten mit überhöhten Rechnungen bedacht haben. Die Staatsanwaltschaft hat insgesamt 406 Fälle von Abrechnungsbetrug und 271 Körperverletzungen aufgelistet. Die Schadenssumme liegt nach Berechnungen der Anklage bei rund 900.000 Mark.

Der Arzt war im August 1997 festgenommen worden, nachdem seine Praxis bereits im November 1995 durchsucht worden war. Obendrein waren bis zu seiner Festnahme bei der Ärztekammer zahlreiche Beschwerden ehemaliger PatientInnen eingegangen. Vor Gericht erklärte der Wandsbeker Praxisinhaber, daß ihm zu keinem Zeitpunkt Fehler unterlaufen seien. „Ich habe niemanden übervorteilt, ausgenutzt oder betrogen.“Außerdem sei er mit seinen PatientInnen stets „umsichtig, schonend und risikoarm“umgegangen.

Der Staatsanwalt sieht das anders. Der Augenarzt habe das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient „ganz nachhaltig mißbraucht“und „eine erhebliche kriminelle Energie gezeigt“, so Michael Abel in seinem Plädoyer. Die zum Teil hoch betagten Patienten hätten nach erfolglosen Behandlungen in anderen Praxen auf den Angeklagten gesetzt, obwohl „nicht der Hauch einer Hoffnung“für sie bestanden habe. Sachverständige hätten seine Behandlungsmethoden als „grotesk“bezeichnet.

Eine Zivilkammer des Landgerichts hatte den Mediziner bereits im November 1997 zu einer Zahlung von 25.000 Mark an einen Patienten verurteilt, der nach einer Operation auf einem Auge erblindet war. Der Augenarzt hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.

Lisa Schönemann