Press-Schlag
: KSC feuert ein Schild

■ Muß Präsident Schmider in Urlaub?

In zwölf langen Jahren ist doch vieles zur Gewohnheit geworden. Beispielsweise, daß auf dem Schildchen droben auf dem Podium, dort wo der eigene Trainer während der Pressekonferenz Platz nimmt, der Name Winfried Schäfer steht. Also haben sie das Schildchen auch am Freitag abend aufgestellt, aus alter Gewohnheit eben, bis schließlich einer gemerkt hat, daß es doch nicht mehr so ist, wie es lange Zeit war. Und so wurde das Schildchen wieder weggetragen und kurz darauf durch ein neues ersetzt, auf dem jetzt Jörg Berger stand, mit etwas anderer Schrift und noch nicht ganz trocken die Tinte.

Aber das war am Ende doch nur eine kleine Nebensächlichkeit, weil Menschen in Blau- Weiß aufmarschiert waren, vor der mächtigen Haupttribüne, und den alten feierten, noch während der neue hinter dem Schildchen eine weitere Heimpleite, diesmal gegen die Hertha aus Berlin, zu analyisieren hatte. Jörg Berger war zu diesen Zeitpunkt freilich schon lange nicht mehr Zielscheibe des Massenhasses, sondern Roland Schmider, seit 25 Jahren Präsident des Karlsruher SC.

„Schmider – Du bist wie MV“, solch furchtbare Worte mußte der Mann auf einem Plakat lesen. „Schmider raus!“ dröhnte es dazu, und so mancher, der da die Losung lauthals mitgrölte, dürfte vor zwei Wochen noch bei denen gestanden haben, die „Schäfer raus!“ skandiert hatten. So ist das halt in einem Verein, der die Übung verloren hat in der Bundesliga liebsten Beschäftigung: im Trainer feuern. Zwölf Jahre sind eine zu lange Zeit, als daß man noch wüßte, wie die Sache funktioniert, so richtig und ohne großes Aufsehen. In Gladbach (gerade passiert) oder in Stuttgart (kommt noch), ja, da wissen die Herren vom Vorstand eben noch, wie man die Säge sauber ansetzt an des Trainers Stühlchen – und die Fans sind daran gewöhnt. In Karlsruhe aber waren sie währenddessen immer stolz darauf, es vergessen zu haben – so lange Zeit. Und jetzt, da es doch passiert ist, trudelt die blau-weiße Basis orientierungslos vor sich hin, mal hierfür, mal dafür, weil keiner so recht weiß, ob es gut war oder schlecht.

Noch sind 15 Punkte Zeit, um die Wahrheit zu finden. „Am Ende wird abgerechnet“, hat Jörg Berger deshalb als Maxime für die nächsten Wochen ausgegeben und auch, daß er und die Mannschaft natürlich weiterhin an den Klassenerhalt glaubten, weil man andernfalls schon jetzt „alle in den Urlaub schicken“ könnte.

Was ein recht lustiger Gedanke ist, weil sich dort doch schon Winfried Schäfer befindet, und ganz bestimmt auch Roland Schmider, der Präsident, nachkäme, schon alter Gewohnheit wegen. Nur die Fans wären bei alledem ziemlich verwirrt – aber das sind sie ja jetzt auch schon. Frank Ketterer