Türöffner für den Abgashandel

■ Costa Rica plaziert als erstes Land Lizenzen zum Ausstoß für Kohlendioxid an der Chicagoer Börse. Erster Kunde ist die Schweiz

San Salvador (taz) – Man nennt es vornehm „gemeinsame Umsetzung von Klimaschutz-Maßnahmen“ („Joint implementation“). Hinter dem schönen Wort steckt ein schmutziger Handel: Ein Land entledigt sich der Pflicht, weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre zu pusten, indem es sich durch ökologische Entwicklungshilfe billig freikauft. Costa Rica, das sich die „Schweiz Zentralamerikas“ nennt, will seine Devisen-Einnahmen verbessern, die wirkliche Schweiz will weiter die Luft verpesten: Heraus kam eine bislang einzigartige „Joint implementation“.

Sein Land, sagt Costa Ricas Umweltminister René Castro stolz, sei weltweit das erste, das in den Handel mit Kohlendioxid einsteige. Gerade hat er eine erste Marge von „Emissionszertifikaten“ an der Börse von Chicago plazieren. Insgesamt sollen die Rechte für den Ausstoß von 350.000 Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre verkauft werden.

Mit dem Erlös des Geschäfts will die Regierung Naturschutzgebiete aufkaufen, die sich in Privatbesitz befinden. So kann sie die Wälder besser schützen. Die Idee des Handels: Mit dem Geld kann Costa Rica verhindern, daß Wälder vernichtet werden, also das Kohlendioxid, welches die Bäume binden, frei wird. Doch Umweltschützer kritisieren die „Joint implementation“, weil sie so vage ist. Niemand weiß, ob die Bäume im Nationalpark wirklich gefällt würden, wenn alles beim alten bliebe. Die Berechnung der eingesparten Kohlendioxidmengen sind daher mehr als fragwürdig.

Doch der Weltklimagipfel im japanischen Kioto im vergangenen Dezember hat solchen Handel grundsätzlich erlaubt. Derzeit geht man davon aus, daß eine Reduzierung von einer Tonne Treibhausgas in Entwicklungsländern zehn US-Dollar kostet. Industrie-Nationen dagegen müßen für dieselbe Verringerung etwa 70 Dollar in Umwelttechnik investieren. Das macht den Handel mit den Ablaßbriefen attraktiv. Kauft die Schweiz die Zertifikate auf, spart sie immerhin bis zu 21 Millionen Dollar. Über Preise schweigt sich Umweltminister Castro jedoch aus. Der costaricanische Zeitung La Republica zufolge soll die Regierung zehn Dollar pro Tonne verlangen.

Castro gesteht ein, daß dieses Paket nicht mehr ist als ein Lockvogel, um das Geschäft mit der Luftverschmutzung überhaupt erst in Gang zu bringen. Costa Rica spielt nur den Türöffner für weitaus größere Geschäfte. Die USA sind scharf auf die Ausstoßrechte für zig Millionen Tonnen Treibhausgas. Dafür wollen sie gar nicht viel Geld in Entwicklungsländern ausgeben. Industrieländer, die nämlich ihren Ausstoß stärker drücken, als sie eigentlich müßten, dürfen die nicht genutzten Verschmutzungsrechte ebenfalls verkaufen. Ausgerechnet die wenig umweltfreundlichen Länder Rußland und Ukraine könnten Rechte in großen Massen verramschen. Dort hat der Zusammenbruch der Schwerindustrie nach dem Zerfall der Sowjetunion den Kohlendioxidausstoß stärker gedrückt, als das Kiotoer Protokoll verlangt. Im Gegensatz zu Costa Rica müßte Rußland aber keinen Pfennig des Verkaufserlöses in den Umweltschutz stecken. Toni Keppeler