Der Wald verschwindet im Drucker

Alle zwei Jahre verschwindet eine Waldfläche so groß wie Deutschland. Vor allem der Papierkonsum wächst dramatisch: Seit 1950 stieg er auf das Sechsfache  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Jedes Jahr werden 16 Millionen Hektar Wald vernichtet, eine Fläche knapp halb so groß wie Deutschland. Das berichtete das Worldwatch-Institut am Wochenende in Washington. Bereits die Hälfte des natürlichen Waldes der Erde sei vernichtet. Gründe seien Kahlschlag durch Holzunternehmen, Brandrodungen von Großbauern für Viehfarmen und Monokulturen sowie von Kleinbauern für den Eigenbedarf. Der Druck auf den Wald nehme weiter zu, sagte die Autorin des Worldwatch-Berichts, Janet Abramovitz.

Dem Worldwatch-Bericht „Zur Lage der Welt 1998“ zufolge übt dabei die Papierproduktion einen immer stärkeren Druck auf den Wald aus: Seit 1950 verdoppelte sich der Holzverbrauch, der Konsum von Papier versechsfachte sich sogar. Bis zum Jahr 2013 könnte sich der Papierverbrauch Schätzungen zufolge noch einmal verdoppeln. Die Deutschen verbrauchen jährlich 200 Kilogramm pro Kopf und werden nur noch von Japan (232 Kilo) und den USA (320 Kilo) übertroffen. Der Weltdurchschnitt liegt bei 46 Kilo. Immerhin stammt ein Drittel des Papier inzwischen aus Recyclingmaterial. Hier liegt Deutschland vorn: Bei uns werden sogar zwei Drittel aus Altpapier hergestellt, in den USA sind es nur 45 Prozent. Rund 40 Prozent des geschlagenen Holzes gehen inzwischen ins Papierwerk, vor allem für die Industriestaaten; gut die Hälfte wird als Feuerholz und Holzkohle verbrannt, vor allem in den Entwicklungsländern.

Abramovitz schätzt die Brände in Indonesien und Brasilien als außerordentlich bedrohlich ein. Inzwischen stamme ein Viertel der durch Menschen freigesetzten Treibhausgase von Waldbränden. Nur noch 22 Prozent der Walddecke der Erde sind ökologisch intakt und relativ ungestört. Sie fallen je zur Hälfte auf die Tropen – Brasilien, Kolumbien und Venezuela – und auf die nordischen Breiten – Kanada, Alaska (USA) und Rußland. Die meisten Wälder sind im Besitz der Regierungen, doch die haben den Einschlag nicht im Griff: So sind in Ghana nur ein Drittel der Kahlschläge genehmigt, in Brasilien sind es nur ein Fünftel, in Rußland sogar nur ein Sechstel.

Selbst das reiche Industrieland Kanada ist kräftig am Holzen: In 30 Jahren hat es den Einschlag verdreifacht, das ist mehr als nachwächst. Zwar akzeptierte die Provinzregierung von British Columbia 1995 auf Druck von Umweltschützern eine Forstordnung, doch die wird kaum eingehalten. Gegen den Kodex wird das Holz in 92 Prozent der Gebiete weiter per Kahlschlag gewonnen – selbst an erdrutschgefährdeten Hanglagen. Kanada ist bei weitem der größte Exporteur für Holzprodukte.

Nicht selten untergräbt dem Worldwatch-Institut zufolge Korruption die Bemühungen zum Waldschutz: So unterschlug Indonesiens Staatschef Suharto Aufforstungsgelder ausgerechnet für den Bau einer Papierfabrik seines Freundes Bob Hasan.

Kurioserweise lassen sich die waldreichen Länder für die Holzkonzessionen mit viel zuwenig Geld abspeisen: So erwirtschaftet Indonesien nur ein Fünftel der möglichen Einnahmen aus ihrem Kahlschlaggenehmigungen. Selbst die USA machten zwischen 1992 und 1994 ein Milliarde Verlust mit Holzkonzessionen: Der Verwaltungsaufwand war höher als der Ertrag.