Appelle und laute Kritik an harter Abschiebepraxis des Innenministers

■ Laut klagen die Kirchenvertreter über die Asylpolitik, die Günther Beckstein verfolgt. Sie wollen ihm eine Gardinenpredigt halten

Nürnberg (taz) – Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) bezeichnet sich gerne als „engagierten und praktizierenden Christen“. Stets hält er die „christlichen Werte des Abendlandes“ hoch, und seit Jahren sitzt er in der Synode, dem Parlament der evangelischen Landeskirche. Kritik von Kirchenmitgliedern an seiner Hardlinerpolitik in der Asylfrage ist Beckstein inzwischen gewohnt. Daß jedoch zusehends Dekane und Bischöfe dem Innenminister auf den Zahn fühlen, ist neu.

Als das Ökumenische Kirchenasylnetz in Bayern vergangene Woche bekanntgab, daß im Freistaat 44 Menschen in neun Kirchenasylen lebten, blieb man im Innenministerium noch gelassen. „Jeden Monat melden die sich mindestens einmal mit den gewohnt falschen Zahlen“, kommentiert Ministeriumssprecher Michael Ziegler. Dem Appell der Kirchenasyl-Aktivisten an die katholischen Bischöfe, diese sollten endlich „deutliche Protestworte“ gegen die Abschiebungen von Flüchtlingen in Krisengebiete äußern, nahm man nicht so richtig ernst.

Doch der Appell verpuffte nicht so wirkungslos, wie es sich Beckstein erhofft hatte. Der Domkapitular der Erzdiözese Bamberg, Theo Kellerer, sagte, man könne die Arbeit der Kirchenasyl-Gruppen „gar nicht hoch genug“ einschätzen. Kirchenasyl ist in des Ministers Augen „eindeutig rechtswidrig“. Für Beckstein gibt es „keine christliche Beistandspflicht gegen den Rechtsstaat“.

Als sich dann noch die Katholische Sonntagszeitung für das Bistum Augsburg scharfzüngig des bayerischen Innenministers annahm, war es vorbei. Ein Redakteur der Kirchenzeitung hatte Beckstein „Reue und Buße“ empfohlen und dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber nahegelegt, er solle sich „seinen Innenminister kräftig zur Brust nehmen“, denn der verprelle „nachhaltig die Stammklientel der CSU, die ausgesprochen christlichen Wähler“. Beckstein beschwerte sich beim Herausgeber des Blattes. Mit Erfolg. In der nächsten Ausgabe durfte der Minister dem Autoren empfehlen, künftig „im stillen Kämmerlein“ über solche Formulierungen nachzudenken.

„Im stillen Kämmerlein“ will der Augsburger Bischof Viktor Dammertz am Ostermontag nicht bleiben. Er kündigte an, seinen Festgottesdienst in der Augsburger Pfarrgemeinde „Zum Guten Hirten“ zu halten, jener katholischen Gemeinde, die den bayerischen Kirchenasylrekord hält.

Seit drei Jahren lebt in der Wohnung von Gemeindepfarrer Siegfried Fleiner die fünfköpfige christliche Familie Akgüc aus der Türkei. „Wir halten durch“, sagt Fleiner und denkt keine Sekunde an Aufgabe. Die bischöfliche Visite ist für die Gemeinde eine „Geste der Solidarität“.

Zu guter Letzt bekam Beckstein eine kirchliche Breitseite aus seiner Heimatstadt. Die vier evangelischen Dekane von Nürnberg appellierten an ihren ministrablen Glaubensgenossen, „Abschiebungen in den Kosovo im Augenblick nicht durchzuführen“, und erinnerten ihn an die christliche Beistandspflicht für gefährdete Menschen. „Daß ich nicht die Politik der Staatsregierung ändere, ist mir klar“, betont Dekan Johannes Friedrich. Er lobt den Innenminister, daß der zumindest für Kirchenvertreter „immer ein offenes Ohr“ habe.

In solch direkten Gesprächen nennt Beckstein dann die von Abschiebung bedrohten Flüchtlinge „arme Geschöpfe“, die ihm „persönlich leid“ täten. Das glaubt man ihm auch. Doch sein Handeln ist ganz im Sinne von Ministerpräsident Edmund Stoiber, der, wenn es um Innere Sicherheit und Ausländerpolitik geht, Bayern stets „ganz vorne“ sehen will. Becksteins Forderungen nach „zügiger Abschiebung von Bosniern“, „ausgedünnter Abschiebung nach Jugoslawien“ oder „Abschiebung von Kurden notfalls im Alleingang“ haben eines gemeinsam: Abschiebung.

Trotz dieser harten Linie hat Dekan Friedrich seine Hoffnung noch nicht aufgegeben: „Wir werden uns mit Appellen immer wieder einmischen.“ Das will auch Landesbischof Hermann von Loewenich, sollte die CSU Ernst machen und die Ausländerpolitik zum Wahlkampfthema erklären. Dann werde sie, so Loewenich, „den deutlichen Widerspruch aller Christen erfahren“. Bernd Siegler