Verkannte Helden

Starke Typen, die bis zu 80 Stunden pro Woche arbeiten: Eine Ausstellung rund um „unsere Abgeordneten“im Bundestag  ■ Von Heike Dierbach

Wirklich starke Typen sind heutzutage selten geworden. Aber es gibt sie noch, nicht nur in Hollywood, nein, sondern auch dort, wo man sie am wenigsten vermutet, im Deutschen Bundestag: unsere Abgeordneten! Und weil das vielleicht für Außenstehende nicht immer zu erkennen ist, informiert in dieser Woche eine Ausstellung im Hamburg-Haus in Eimsbüttel über die „starken Typen“, deren Leistung leider nicht immer anerkannt wird.

„Hier geht es um die Realität jenseits der Fernsehbilder vom leeren Plenarsaal“, betont SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Mertens, die die Wanderausstellung „Deutscher Bundestag – Unsere Abgeordneten“nach Hamburg geholt hat. Konzipiert wurde sie vom Referat Öffentlichkeitsarbeit des Bundestages. Auf 22 Hochglanztafeln erfahren die BesucherInnen alles über die „Werkstatt der Demokratie“von der Entstehung des Parlamentarismus in Deutschland bis zur neuen Kuppel des Reichstages in Berlin. Es wird erklärt, was ein Vermittlungsausschuß macht und daß „Nicht-wählen heißt, anderen die Entscheidung zu überlassen“.

Hannah Brandt sitzt gerade vor dem Computerspiel „BuTa“und grübelt, was der „Hammelsprung“ist. Eine Fitneßübung für die Abgeordneten? Oder doch eine Abstimmung, bei der die ParlamentarierInnen den Saal durch jeweils eine Tür für „Ja“, „Nein“oder „Enthaltung“betreten? Klar, Lösung B ist richtig. „Bravo!!!“lobt der Computer. Der 17jährigen Schülerin des Gymnasiums Kaiser-Friedrich-Ufer gefällt die Ausstellung mit den „Bildchen“und „großen Überschriften“.

Ihre Mitschülerin Anna Köster ist kritischer: „Die Abgeordneten werden als die Helden dargestellt“, ärgert sie sich, „aber wieviel Geld die dafür bekommen, wird verschwiegen.“Harro Schrakamp, Referent für Öffentlichkeitsarbeit des Bundestages, beeilt sich zu versichern, daß das doch „in den Broschüren steht“. Dazu veranschaulicht ein abgebildeter Terminkalender, was „unsere Abgeordneten“so arbeiten – „bis zu 80 Stunden pro Woche“, und das für rund 12.000 brutto. „Klar läßt sich das nicht mit dem Gehalt einer Verkäuferin vergleichen“, räumt Angelika Mertens ein, „aber die Verantwortung!“Obwohl, „wieviel Zeit wir davon produktiv verbringen, ist noch eine andere Frage...“Jedenfalls sieht die Öffentlichkeit von der Arbeit des Bundestages nur Bruchteile, versichert Tafel neun.

Anna steckt sich zum Abschluß noch ein paar schwarz-rot-goldene Bundestags-Bonbons in die Hosentasche. Ihr Bild von den PolitikerInnen hat sich durch die Ausstellung nicht verändert, sagt sie. Sie hätte sich mehr dafür interessiert, wie sie selber politisch mitgestalten kann. „Die Tafeln stellen eben nur die Formalia dar“, erklärt Mertens, „hier ist nicht die Politik beschrieben.“Aber die Jugend von heute ist ja unbelehrbar – Anna ist sowieso „für eine Rätedemokratie“.

Die Ausstellung ist noch bis 9. April im Hamburg-Haus zu sehen, Doormannsweg 12, geöffnet täglich von 10 bis 22 Uhr.