SPD steuert auf Doppelspitze zu

■ Mangels Alternativen wird mit der Wiederwahl von SPD-Parteichef Dzembritzki gerechnet, obwohl er in den Bundestag geht. Stärkere Rolle von Landesgeschäftsführer Meisner erwartet

Der Kandidat müßte „politische Entwürfe“ in der Tasche haben, die die SPD „zukunftsfähig“ machen, sagt ein Genosse. Er müßte ein begnadeter Redner sein und die lethargische Parteibasis motivieren. Er müßte die Partei stärken, damit diese wieder zum Gegengewicht zur Fraktion und dem finanzpolitischen Kurs von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing wird. Das Anforderungsprofil an einen Parteivorsitzenden ist klar. Klar ist auch, daß Detlef Dzembritzki all diese Vorgaben nicht erfüllt.

Und doch kann sich der 55jährige gute Chancen ausrechnen, beim Wahlparteitag am 6. Juni als SPD-Landesvorsitzender wiedergewählt zu werden – obwohl er auf einem sicheren Listenplatz für den Bundestag kandidiert und ab Herbst die Geschicke der Partei von Bonn aus lenken müßte.

„Es gibt nicht die Person, die wir bräuchten“, stellt der Juso-Vorsitzende Matthias Linnekugel leicht resigniert fest. „Ich fürchte, es wird wieder Dzembritzki.“ Eine wirkliche Alternative ist nicht in Sicht. Hans-Georg Lorenz, der Ende vergangenen Jahres ungewöhnlich früh seine Gegenkandidatur anmeldete, werden kaum Chancen eingeräumt. So sehr man den innenpolitischen Sprecher der Fraktion schätzt, gilt der redegewandte Rechtsanwalt als impulsiver Poltergeist.

Der 54jährige Lorenz will mit seiner Kandidatur vor allem die Debatte über eine Reform der Partei anstoßen. In einem siebenseitigen Papier, das er in 3.000facher Ausfertigung an die Parteibasis verschickte, bemängelt er das Fehlen zukunftsweisender Konzepte. Dieser Aufgabe werde der Landesvorstand nicht gerecht. Mit „Konzepten von gestern“ ließen sich keine Wähler gewinnen. „Die SPD stellt sich oft als Advokat ohne Kenntnis der Mandantschaft dar“, schreibt Lorenz. Zudem habe die SPD keine Strategie für Wege aus der Großen Koalition entwickelt. Die Partei müsse sich aber inhaltlich auf eine neue Koalition vorbereiten. Lorenz befürwortet ebenso wie Dzembritzki ein rot-grünes Bündnis nach der nächsten Abgeordnetenhauswahl.

Auch Norbert Meisner, der sich im Juni als Landesgeschäftsführer zur Wahl stellt, ist ein Anhänger von rot-grün. Den früheren Wirtschaftssenator, der an seinem politischen Comeback arbeitet, hatte Dzembritzki selbst vorgeschlagen. Meisner gilt als politischer Kopf und dürfte sich als Landesgeschäftsführer kaum auf organisatorische Aufgaben beschränken. Parteiintern wird damit gerechnet, daß Meisner und Dzembritzki quasi als Doppelspitze agieren – zumal Dzembritzkis Bonner Verpflichtungen Meisner zusätzlichen Spielraum verschaffen dürften. Dzembritzki und Meisner gehören beide der pragmatischen linken Mitte an. Doch ist dies auch für die Partei-Rechte ein komfortables Arrangement. Dzembritzki, dem parteiintern Führungsschwäche vorgeworfen wird, hält SPD-Fraktionschef Klaus Böger stets den Rücken frei.

Mit überraschenden, weiteren Gegenkandidaten wird parteiintern nicht gerechnet. Und auch Lorenz schätzt seine Chancen offenbar realistisch ein: „Die Partei geht nicht unter, wenn ich nicht gewählt werde.“ Dorothee Winden