■ Innovatives aus der Welt des Trinkens: Die SB-Tischzapfanlage
: Im Prinzip wie an der Tankstelle

Augsburg (taz) – Der Gastronom Till R. Kuhnle revolutioniert das deutsche Kneipenwesen. In seinem Augsburger Gasthaus „Zapfhahn“ können sich die Gäste ihr Bier am eigenen Tisch zapfen. Jeder der 12 Rundtische ist mit einer eigenen Zapfanlage für die drei Biersorten – Pils, Helles und Braunes – ausgestattet. Kein „Hallo, Herr Ober!“, kein langes Warten mehr. Hier sitzt der Gast am längeren Hebel. „Biertrinkers SB- Tankstelle“, schmunzelt der große Innovator.

Bei ihm wird der Gerstensaft nicht glasweise berechnet, sondern danach, wieviel Liter durch den Hahn laufen. Ein Zähler notiert die gezapfte Menge, ein zweiter die Geldbeträge. Fünf Mark Einheitspreis kostet der halbe Liter. Mit einer elektronischen Plastikkarte, die in einen Schlitz neben der Zapfanlage gesteckt wird, bezahlen die Gäste ihr selbstgezapftes Gebräu an der Zentralkasse am Ausgang.

Auf die Idee kam Kuhnle schon in den späten siebziger Jahren in einem Londoner Pub. Über ein elektronisches System konnte der damalige Twen von seinem Tisch aus die Lieblingssongs in der Jukebox anwählen. „Aber aufs Bier mußte ich ewig warten“, grollt er noch heute. Warum also nicht eine Kneipe aufmachen, die an jedem Tisch einen eigenen Zapfhahn hat, stieg es Kuhnle zu Kopf.

Bis es soweit war, hatte der Augsburger Wirt aber noch „jede Menge Stolpersteine“ zu überwinden. Zunächst schwatzte er seiner Bank Kredite für die saftigen Investitionen ab. Dann kam der zähe Poker mit einer ortsansässigen Brauerei. Es ging um einen Vertrag, „wo ich nicht allzu viel umsetzen, dafür aber einen viel größeren Teil der Pub-Einrichtungen als normal übernehmen mußte.“ Im nächsten Schritt ließ Kuhnle die technisch aufwendigen Installationen vornehmen: Unter dem Holzfußboden des Gastraums wurden je drei Bierleitungen zu jedem Tisch verlegt. Eine Münchner Firma entwickelte für die Zapfhähne einen normierten Zähler – wie bei den Zapfsäulen an Tankstellen. Im Keller wurden jede Menge Fässer mit normierten Kühlaggregaten dezentral angeordnet. Insgesamt entspricht das Ensemble von Kuhnles Zapfmobiliar so der Ausrüstung von sechs bis sieben mittelgroßen Kneipen.

Dann nahm der TÜV Augsburg die Druckleitungen für das Bier ab, die länger als normal ausfallen mußten, weil ein höherer Anfangsdruck nötig ist. Und schließlich stand noch der Stolperstein Lebensmittelaufsicht im Weg. Sie hatte anfangs schwerwiegende Bedenken wegen der mangelnden Hygiene. Denn wie jede herkömmliche Garnitur muß auch die individuelle Tisch-Zapfanlage regelmäßig gereinigt werden.

Doch allem Anschein nach hat sich Kuhnles Durchhaltewille gelohnt. Seit der Eröffnung Mitte Januar ist der „Zapfhahn“ „g'rammelt voll“, wie der Kneipier Abend für Abend überschäumend feststellt. In der Altstadt, am Mittleren Graben, ganz in der Nähe von Brechts Geburtshaus gelegen, strömen viele Studenten und Uni- Angehörige in den Pub, aber auch Yuppies und reifere Jahrgänge. Sie erwartet dort ein gediegenes Ambiente mit Holzvertäfelungen und viel Messing. Dazu eine kleine feine Küche mit Fondues und flambierten Fleischspezialitäten. Also nichts für Saufgelage lärmseliger Großgruppen.

Der Zapfnovize bekommt im „Zapfhahn“ eine kurze Einweisung am Tisch. Sicher ist sicher. Denn weil einige trinkfreudige AugsburgerInnen in der Euphorie den Hahn zu schnell aufgedreht hatten – was ihrer Garderobe nicht sonderlich bekam –, wurden die Zapfhähne kurzfristig mit einer Sperre nachgerüstet. Und wenn ein Faß sich anschickt leer zu werden, gehen hinter dem Bartresen am elektronisch gesteuerten Schaltpult rechtzeitig die entsprechenden Alarmlämpchen an. Sollte der „Modellbetrieb“ weiterhin so geschmiert laufen, will Kuhnle noch „maximal drei, vier Gasthäuser“ mit seinem alternativen Kneipenkonzept ausstatten. Attraktive Kooperationsangebote liegen bereits von einer Gasthausbrauerei im nordfranzösischen Lille, von mehreren Brasserien in Belgien und einem Jenaer Etablissement vor. Günter Ermlich