Friß, Bremen, oder stirb

■ Großer NDR-Chef schreibt an kleinen Radio-Bremen-Intendanten und bietet ihm fügliche Kooperation an. Lieber ein paar Radioprogramme zusammenlegen als fusionieren müssen

Ein bißchen verändert sich doch in der ARD: Jetzt wechseln sogar leidlich freundliche Schreiben von Hamburg nach Bremen. In einem Brief an den Radio-Bremen-Kollegen Karl-Heinz Klostermeier hat NDR-Intendant Jobst Plog eine enge Kooperation zwischen beiden ARD-Anstalten vorgeschlagen.

Neben der Zusammenarbeit bei Verwaltungsaufgaben stellt sich der NDR auch eine Programmzusammenarbeit vor: So könnte eine gemeinsame Radiowelle für Nordwestniedersachsen veranstaltet werden – „gegebenenfalls unter Bremer Federführung“. Im Gegenzug soll Radio Bremen auf eines seiner vier Hörfunkprogramme verzichten. Außerdem will Plog die BremerInnen von der Zulieferung für das gemeinsame Fernsehen N 3 „entlasten“. Darüber hinaus kann sich der NDR- Chef vorstellen, seine künftige Infowelle NDR 4 und sein Jugendprogramm N-Joy-Radio auf Bremen auszudehnen – ähnlich wie das Kulturprogramm Radio 3 (ehemals NDR 3), das bereits in Berlin/Brandenburg sendet. 30 Millionen Mark, schreibt Plog, könnte Radio Bremen so einsparen.

In Bremen wurden die Vorschläge erst einmal begrüßt. „So schnell wie möglich“ will Klostermeier die Verhandlungen beginnen, sagte er gestern. Im Norden der Republik bahnt sich eine Vernunftsehe an.

Beide Anstalten stehen unter Kooperationsdruck: Plog graust davor, einmal die Abwicklungskosten des teuren Radio Bremen tragen zu müssen, wo er doch seinen eigenen Sender so schön und vorbildlich saniert sieht. Genüßlich rechnet er den Bremern in seinem Brief deren Versäumnisse vor: In Bremen habe man bislang kaum rationalisiert, Radio Bremen habe „selbst kaum Vorschläge eingebracht“, kurz, das Programm werde „bei bestehenden Strukturen nicht mehr in vollem Umfang zu finanzieren sein“. Plog spürt zudem Druck von seinen Ministerpräsidenten (zum Beispiel in Kiel und Hannover), mit Bremen zu Potte zu kommen, wenn sie das Problem nicht selbst in die Hand nehmen sollten – derzeit verhandeln die Länderregierungschefs bei ihren Staatsvertragsverhandlungen über die Zukunft der kleinen ARD-Sender. Trotz des Drucks macht der NDR-Chef sein Angebot aus einer Position der Stärke: Friß, Bremen, oder stirb! Aber erspare uns den Dreck mit der Leiche.

Für Radio Bremen stellt sich die Lage aussichtslos da. Das Damoklesschwert: Der ARD-Finanzausgleich, aus dem Radio Bremen etwa die Hälfte seines Etats erhält, läuft nur noch bis zum Jahr 2000. Nun hofft man in Bremen gar, daß konservative Medienpolitiker wegen des prognostizierten ARD- Überschusses auf eine Verlängerung der Gebührenperiode drängen – und damit auch dem Finanzausgleich noch eine Gnadenfrist geben.

Gründe zum Eingehen auf Plogs Vorschläge geben den BremerInnen auch die neuesten Zahlen: Nach der neuen Media-Analyse haben drei der vier Hörfunkprogramme erneut HörerInnen verloren. Noch vor fünf Jahren hörte jeder dritte im Sendegebiet das Radio-Bremen-Flaggschiff „Hansawelle“. Diese Quote ist mittlerweile auf 11,5 Prozent geschrumpft. Als „existenzbedrohend“ bewertete Hörfunkchef Hermann Vinke diese Zahlen. Ganz ähnlich sieht es bei den Sendungen aus, die Radio Bremen zum norddeutschen Fernsehen N 3 beisteuert. Die meisten Beiträge kamen auf unterdurchschnittliche Marktanteile, rechnet NDR-Intendant Jobst Plog den BremerInnen vor.

Die Abneigung gegen eine Fusion ist freilich in beiden Ländern gleich groß. „Eine Kooperation ist eine viel schlankere Lösung“, weiß Thomas von der Vring, Mitglied im Radio-Bremen-Verwaltungsrat und als „Geheimdiplomat“ Mitvorbereiter des Plog-Vorschlags. So etwas „verursacht erst mal Kosten und bringt erst in zehn Jahren was“. Christoph Köster